Samstag, 20. Juli 2013

Begegnung mit Ernst Cassirer - Kulturphilosophie

Begegnung mit Ernst Cassirer
Welt ist, was wir dazu machen. — Sei ihr Entstehen nun zufällig oder nicht. Die Schaffung von Tatsachen spricht nicht gegen ihre Realität. Dies gilt für wissenschaftliche Tatsachen ebenso wie für die ethischen und ästhetischen Urteile, für Kollektive wie für den Einzelnen. 
Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.
Ob wir Musik eine Sprache nennen können oder auch die Malerei, ist hierbei nicht die Frage. Beide Male handelt es sich — wie im Fall der gesprochenen Sprache — um Artefakte, die als Ausdruck (Hören, Sehen, Sprechen) und Repräsentation (Notation, Bild, Schrift) vorhanden sind.
Nicht in den Einzelerlebnissen, sondern in den durch Wesensschau aufgedeckten Grundgesetzen der Erlebnisse seien die tragenden Bedeutungen der Bewußtseinskonstitution zu finden. 
Cassirers Werk ist folglich von der transzendentalphilosophischen Fragestellung nach den Bedingungen der Möglichkeit des Wissens bestimmt.
Auffinden und Schaffen fallen zusammen. Dies ist „das Transzendentale in Cassirers Philosophie:
Was einmal im Wort oder Namen festgehalten ist, das erscheint nunmehr nicht nur als ein Wirkliches, sondern geradezu als das Wirkliche. Die Spannung zwischen dem bloßen ‚Zeichen‘ und dem ‚Bezeichneten‘ hört auf: an die Stelle des mehr oder minder angemessenen ‚Ausdrucks‘ ist ein Verhältnis der Identität, der völligen Deckung zwischen ‚Bild‘ und ‚Sache‘, zwischen den Namen und den Gegenstand getreten.
Die Wahrnehmungswelt ist im Wahrnehmen je schon strukturiert. Der Kultur ist ein prinzipiell unendlicher Vorrat an Sinn gegeben, der geschaffen werden kann. Sollen die Symbole intersubjektiv gültig sein, müssen sie darüber hinaus jedoch regional eine universelle Geltung besitzen, nicht eine private. Sie werden damit zur reziproken (Selbst)Deutung der betreffenden Kultur und sind „eine Objektivität des Mythischen“.

Nicht das bloße Betrachten, sondern das Tun bildet vielmehr den Mittelpunkt, von dem für den Menschen die geistige Organisation der Wirklichkeit ihren Ausgang nimmt.“
Unter Tun versteht Cassirer Gestalten, Formen und Bilden. Erst dem Tun entspringt das Sein. Die elementarste Form der Gestaltung ist dabei die Abgrenzung oder Perspektivierung. Da jede Wahrnehmung nur einen Teil der Wirklichkeit erfasst, ist somit schon jegliches Wahrnehmen gestaltend. 
Unter ‚symbolischer Prägnanz‘ soll also die Art verstanden werden in der ein Wahrnehmungserlebnis, als ‚sinnliches‘ Erlebnis, zugleich einen bestimmten nicht-anschaulichen ‚Sinn‘ in sich faßt und ihn zur unmittelbaren konkreten Darstellung bringt.“
Dabei wird nicht ein beliebiger Sinn zum Wahrnehmungsinhalt hinzuaddiert, sondern das Wahrgenommene wird in ein Sinnganzes eingebettet, weil es eine Form gewinnt, die über sich hinaus weist:
„Vielmehr ist es die Wahrnehmung selbst, die kraft ihrer eigenen immanenten Gliederung eine Art von geistiger ‚Artikulation‘ gewinnt [...] Diese ideelle Verwobenheit, diese Bezogenheit des einzelnen, hier und jetzt gegebenen Wahrnehmungsphänomens, soll der Ausdruck ‚Prägnanz‘ bezeichnen.“
Durch Symbole werden sinnliche Einzelinhalte zu Trägern einer allgemeinen geistigen Bedeutung geformt. Die Formgebung läuft somit zugleich mit der sinnlichen Wahrnehmung ab.
„Unter einer ‚symbolischen ‚Form‘ soll jene Energie des Geistes verstanden werden, durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft und diesem innerlich zugeeignet wird.“
Mit der Formgebung geht gleichzeitig eine Sinngebung einher: erst Formen lassen Bezüge und Strukturen in der Welt erkennen. Symbolische Formen sind somit Grundformen des Verstehens, die universell und intersubjektiv gültig sind und mit denen der Mensch seine Wirklichkeit gestaltet. Kultur ist die Art und Weise, wie der Mensch durch Symbole Sinn erzeugt.
Die Erlebniswelten der symbolischen Formen sind wesentlich durch ein gestaltendes Tun des Menschen bestimmt. Gemeinsamer historischer Ursprung ist der Mythos, als frühste Form der sinnhaften Weltgliederung. Die symbolischen Formen bilden die Wirklichkeit aus verschiedenen Perspektiven ab.
Der Mythos ist für Cassirer Ursprungsphänomen aller menschlichen Kultur. In ihm wird das erste Mal durch Formgebung und Verfestigung das Flüchtige des Erlebens festgehalten, aus dem Gefühl wird ein Werk. Damit entsteht eine Eigenwelt, zu der der Mensch sich von nun ab verhalten kann und die der unmittelbar erlebten Welt entgegentritt.
Cassirer sieht zwischen Sprache und Mythos einen wesentlichen Zusammenhang. Im mythischen Identitätsdenken fallen Wort und Wirkung zusammen, denn der Mensch überträgt die ihm aus dem Zusammenleben bekannte soziale Wirksamkeit des Wortes auf die natürliche Umwelt. Das Wort wird dann zur magischen Formel, welche auf die Natur einwirken soll. 
Die Rationalität der Kunst ist eine Rationalität der Form:
„Die Wissenschaft gibt uns Ordnung im Denken; die Moral gibt uns Ordnung im Handeln; die Kunst gibt uns Ordnung in der Auffassung der sichtbaren, greifbaren und hörbaren Erscheinungen.“
Indem die Kunst dem Menschen die Möglichkeit bietet, seine Gefühle im Werk der Kunst herauszustellen und zu fixieren, hilft sie die Emotionen zu objektivieren. 

Der generelle Zweck, auf den alle kulturellen Bestrebungen hinzielen, besteht nach ihm darin, »die passive Welt der bloßen Eindrücke« zu einer für den Menschen verstehbaren Wirklichkeit umzuformen.
Das Orientierungsvermögen des Menschen ist an Bedeutungen und Bedeutungszusammenhänge gebunden. Die Produktion von Bedeutung und der Umgang mit solchen Bedeutungssystemen ist das, was Cassirer Kultur nennt

Kultur ist, Globalisierung und Geschichte zusammenzudenken.
Kultur ist, das Eigene und das Fremde zusammenzudenken und damit Durchlässigkeit zu erzeugen und neue Erfahrungsräume zu schaffen, also Kolateralereignisse der Erkenntnis.

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