Donnerstag, 8. August 2019

Suche den Frieden und jage ihm nach!

Evangelische Kirche Wiehl -  Sonntag, 04.08.2019

Predigt über Psalm 34, 13-15

Pfarrer i.R. Heinz Hübner

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...I will follow him – so hat der Gospelchor die Taufe von Fenna Josephine beschlossen. Denn die Taufe – auch ihre Taufe -  hat immer Folgen: nämlich Gott in seinem Wort in Anspruch nehmen, Gottes Wort in Anspruch nehmen, der in der Taufe verspricht:

„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!“ (Gen. 12,2)

Und das gilt heute nicht nur für Fenna, sondern für jeden von uns, der seine eigene Taufe, diese Zusage Gottes erinnert: I will follow him. Ich will IHM folgen. Gottes Wort für mich in Anspruch nehmen, dass es mein Denken, Fühlen und Handeln bestimmt.

Und das Wort, das heute in Fennas Taufe groß gemacht wurde, dieses „setze dich für den Frieden ein und verfolge dieses Ziel mit ganzer Kraft!“ – aus Psalm 34 – haben sie es erkannt? In der Lutherübersetzung heißt es kurz und bündig: „Suche Frieden und jage ihm nach!“ – das ist doch...richtig, das ist die Jahreslosung 2019, das Bibelwort, das uns dieses Jahr geleiten soll. Deshalb frage ich uns, wo stehen wir mit Gottes Wort jetzt, nachdem die Hälfte des Jahres schon wieder vergangen ist? Was hat dieses Wort, das wir dieses Jahr besonders in Anspruch nehmen, mit uns gemacht, was hat es gebracht? Wohin hat es mich gebracht?

Suche Frieden und jage ihm nach! 

Suchen und Jagen – das klingt doch sehr gehetzt, so als ob der Frieden sich versteckt hätte und wir ihn suchen müssen – oder der Friede immer schon wieder weg ist und d wir ihn eigentlich nie erreichen können, und deshalb ihm nachjagen müssen.

Und in Tat kann uns dieses Gefühl ja angesichts der aktuellen Fragen und Entwicklungen stark beschleichen.

Es gibt so viele Konflikte auf dieser Erde, die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben und zur Flucht zwingen. Es gibt so viele Tote in Bürgerkriegen und Opfer im Kampf der Großmächte und Nachbarstaaten, wie in Syrien, im Jemen, in Afghanistan und anderswo. Da sind die Ertrinkenden im Mittelmeer, dort wo viele von uns an den Stränden Urlaub machen – Malle ist doch nicht weit von Malta entfernt!

Wir kommen den vielen Nachrichten und Bildern kaum noch hinterher – und mögen uns vielleicht dem auch gar nicht mehr aussetzen und schalten lieber ab. 

Wie kann da Frieden gelingen? Wie schützen wir uns vor Resignation? Wie behalten wir uns die Sensibilität und Aufmerksamkeit für den Frieden und das Engagement, zu dem uns Gottes Wort aufruft?

Der Psalm 34 stellt die Suche nach dem Frieden in einen umfassenden Horizont der Frage nach dem guten Leben, und er wird ganz konkret, wenn es um das Leben in Frieden geht.

 

Hören wir Psalm 34 die Verse 13-15:

Wer möchte gerne gut leben und schöne Tage sehen.

Behüte deine Zunge vor dem Bösen und deine Lippen,

dass sie nicht Trug reden.

Lass ab vom Bösen und tue Gutes.

Suchen Frieden und jage ihm nach.

 

Darum soll es gehen: Gutes Leben!

Die Frage nach dem guten Leben haben schon die alten Philosophen Platon und Aristoteles gestellt und haben daraus eine Ethik mit moralischen Handlungsanweisungen entwickelt. Und wer heute unter dem Stichwort „gutes Leben“ im Internet recherchiert, der findet unzählige Initiativen, Kongresse, Workshops, schlaue Bücher, Online-Medien und Ratgeberliteratur. Sogar die Bundesregierung hat zum Bürgerdialog „Gut leben in Deutschland“ aufgerufen. Glücksforschung über Konsumkritik, einfaches Leben durch regionales Denken und Handeln bis hin zu esoterischen Praktiken, um zu einem guten und ausgeglichenen Leben zu finden.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass diese Frage in diesen Formen ganz besonders in reichen Gesellschaften auftaucht. Offensichtlich herrscht trotz allen Reichtums und den vielen Möglichkeiten eine Art Sinnleere, die zu den Grundfragen des Lebens zurückführt.

Unsicherheit beherrscht viele Menschen und sie suchen nach Antworten, was ihrem Leben Orientierung gibt. Wie sehen solche Werte aus? Auf der Suche nach einem gefüllten, glücklichen Leben – Frieden – Schalom.

Blicken wir auf Psalm 34. Wie wird da gutes Leben definiert? Es gibt drei Hinweise:

 

1. „Behüte deine Zunge vor dem Bösen und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden!“ 

Das ist höchst aktuell in Zeiten der fake news oder in einer Entwicklung, in der die Wahrheit als fake news verunglimpft wird. Die Wahrheit zu reden ist der erste Weg zu einem guten Leben in Frieden. Dazu gehört es auch, sensibel und aufmerksam zu bleiben für die Not und das Elend der Menschen. Sich dem dummen Gerde von alternativen Fakten entgegenzustellen, um die wahren Ursachen im globalen Kapitalismus zu entlarven. Dazu gehört es, die wahren Hintergründe für Flucht und Migration auf dieser Erde anzuschauen. Die Menschen fliehen vor Not und Elend, vor Krieg und Gewalt, die wir in den reichen Ländern des Nordens und Westens mitverursacht haben. Ungerechte Handelsbedingungen, Ausbeutung und Waffenexporte, die Konflikte verschärfen, tragen mit zu den Situationen bei, aus denen Menschen wegen einer wachsenden Perspektivlosigkeit fliehen. Nicht der Abschottung der Grenzen ist deshalb das Hauptaugenmerk zu widmen, sondern der tatsächlichen Bekämpfung der Ursachen.

„Behüte deine Zunge vor dem Bösen!“

Die Sensibilität für unsere Sprache ist ein wesentlicher Weg zum Schalom, zum guten Leben in Frieden. Wir müssen darauf achten, dass unsere Worte nicht verletzen, abgrenzen und ausgrenzen. Wir bemerken hoffentlich diese Verrohung der Sprache bis in bestimmte rechtsorientierte Parteiungen auch im Bundestag, Es kommt auf dich und mich, auf jeden einzelnen an, wie wir unsere Sprache gebrauchen, damit Frieden wird. Denn wenn die Worte verrohen, ist es nicht mehr weit zur Gewalt. Aktuelle Ereignisse in unserem Land zeigen das überdeutlich. Wer seine Worte nicht beherrschen kann, kann bald auch sich selbst nicht mehr beherrschen und wird von der Gewalt der Sprache, die das Denken und Handeln bestimmt, überwältigt. Wir merken hoffentlich mit großer Sorge, wie so die Sprache verroht, wie die 140 Zeichen eines twitternden Präsidenten der USA Lügen verbreiten und wie Schmähung, Verleumdung, Verhöhnung auch auf den Straßen unseres Landes, im öffentlichen wie auch privaten Diskurs Eingang finden. Meist fängt das mit der unsäglichen Redewendung „Man wird doch mal sagen dürfen...“ an. Sagen wir dann ein entschiedenes nein, um unsere Zunge vor dem Bösen zu bewahren!

2. Hinweis: „Lass ab vom Bösen und tue Gutes!“

Aber so einfach zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, ist doch gar nicht so einfach – mögen einige jetzt sagen – und sie haben damit Recht! Denn es nützt gar nichts, die Welt in gut und böse einzuteilen oder irgendwelche Menschen und Länder zu dämonisieren. Die Welt ist komplex und kompliziert geworden und einfache Antworten gibt es so nicht mehr!

Und dennoch haben wir in der Regel doch ein Gespür dafür, was richtig ist. Wir Menschen besitzen doch diese positive Vorstellungskraft. Fichte und Schelling, die Philosophen des deutschen Idealismus zu Beginn des 19 Jh., als man ebenfalls auf der Suche nach dem Wahren und Guten war in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, sprachen von den inneren Vorstellungsbildern, der Einbildungskraft, die zum Guten führt, weil sich darin die Wahrheit selbst offenbart. Und Hegel konnte darin das Wirken des Göttlichen erkennen. Ja wir Menschen besitzen doch diese positive Vorstellungskraft.

John Lennon hat das vor fast 50 Jahren in seinem Song „Imagine-peace on earth“ aufgenommen, einem der Lieblingssongs meiner Tochter. „Imagine...“ Stell dir vor, wie das ist, wenn alle Menschen auf der Welt in einträchtigem Frieden leben, wenn jeder nach seinen Bedürfnissen sich entwickeln kann. Imagine – stell dir vor, wie der Weg dahin aussehen könnte. Und dann fang in kleinen Schritten bei dir an. Und Lennon hat weiter gedichtet: you may say I’m a dreamer – du sagst ich sei ein Träumer – but I’m not the only one – aber ich bin nicht der einzige. Join me – komm mit auf diesem Weg und wir werden die Welt zum Guten verändern. Imagine – stell dir das vor, gebrauche deine Einbildungskraft!

Genau darum geht es, in kleinen Gruppen gemeinsam zu träumen, um dann den Traum vom Frieden zu verwirklichen in kleinen Schritten – Veränderung! Denn so beginnt das Reich Gottes, das Jesu Christus verheißen hat allen, die sich darauf einlassen.

Wir haben doch ein Gespür dafür, was richtig ist!

Und es würde anfangs schon reichen, wenn wir die Dinge lassen, von denen wir wissen, dass sie anderen Menschen oder der Mitschöpfung schaden, und die Dinge wirklich tun, die wir schon längst als richtig erkannt haben. Anderen Menschen Gutes tun, das geht nur über gerechte Teilhabe. Denn es ist ja unser eigener Lebensstil, mit dem wir auf Kosten anderer Menschen leben. Der Friede ist bedroht, mehr denn je. Weit über 2 Millionen Kinder leben in Deutschland von Hartz IV – auch das ist eine Kriegserklärung der Wohlhabenden gegen eine wehrlose Gruppe, die gleichzeitig als unsere Zukunft beschworen wird. Gerade angesichts der Taufe eines kleinen Kindes, der Fenna, gilt es, solches deutlich auszusprechen.

Vorstellungskraft - Frieden – Schalom für Stadt und Land. John Lennon rät „Imagine – stell dir das vor, wie es anders wäre und geht die ersten Schritte gemeinsam – I’m not the only one!

3. Hinweis aus Psalm 34 „Suche Frieden und jage ihm nach“

An den beiden Verben „suchen“ und „jagen“ wird klar: Frieden ist kein Zustand, der einmal erreicht, für immer Bestand hat. Frieden steht nicht zur freien Verfügung, als könnten wir einfach zugreifen wie zu einer Ware im Supermarkt. Frieden geschieht. Frieden wird im Hier und Jetzt, er leuchtet auf und geht auch wieder verloren, wenn er nicht ergriffen wird. Frieden ist ein lebendiger Prozess, der unser engagiertes und zielgerichtetes Handeln braucht.

Suchen und Jagen – das Suchen ist die Besonnenheit und das Jagen ist die Leidenschaft. Beides braucht es! Imagine peace on earth. Frieden ist ein Prozess, ein Weg. Und dieser Weg beginnt bei uns selbst, in unserer Einbildungskraft, dort wo das Göttliche und Menschliche sich treffen, in uns selbst dem inneren Frieden, wenn wir Gottes Wort in Anspruch nehmen: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein! Wie es in Fennas Taufe ihr zugesagt wurde. Und wie wir es in der je eigenen Erinnerung aufgenommen haben. Der Friede Gottes ist da, er ist die Kraftquelle, wir sollen und können ihn in Besonnenheit suchen und mit Leidenschaft ihm nachjagen. Wo wir Gottes Wort so in Anspruch nehmen, wird Gott selbst mit uns sein und unser Handeln segnend beflügeln. Wo wir das Böse meiden und den Frieden suchen, werden unsere Gesichter hell sein vor Freude auf dem Weg des gefüllten, guten Lebens.

Diese hellen, freundlichen Gesichter wünsche ich uns allen.

Denn der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinnen auf dem Weg des Friedens. Amen.

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