Flanieren durch das Bücherregal und finden:
Das Heft “Ästhetik und Kommunikation, März 1978″
Flanieren und Blättern und Finden, ein Gedicht,
dieses Gedicht, ein Anachronismus _ wiedergelesen 2012!
F.C. Delius
Einsamkeit eines alternden Stones-Fan
Er latscht in den
Diskshop und gleich
auf die Platte los, die er will, die neuen Stones.
Um ihn rum, Kopfhörer
um die Ohren,
die 10 oder 15 Jahre
jüngeren Typen,
die längst was andres
hören.
Die reglosen
Gesichter
regen ihn auf,
diese Einsamkeit
unter den Kopfhörern!
Er nimmt die Platte
und
fühlt sich nicht sehr
einsam.
Er weiß nur, er
überschaut
den Plattenmarkt
nicht mehr –
Diplom-Physiker, da
hab ich andre Sorgen-
und weiß nicht, was
ihn noch verbindet
mit der, sagt er
ironisch, nächsten Generation,
höchstens eine
Demonstration, ein Joint,
etwas von dieser
Mode.
Er sieht das Cover
an:
gefällt mir
eigentlich gar nicht, den Mick
solltest du wirklich
langsam abschreiben,
aber sein Sound, den
hat keiner mehr erreicht.
Und Mick sagts
selber: Du wirst
irgendwann zu deiner
eignen Parodie.
Dieser Satz geht ihm
durch den Kopf
während der vier
Schritte zur Kasse,
irgendwann
wirst du zu deiner
eignen Parodie.
Erinnerungen kommen
hoch:
die Stones im Hyde-Park damals,
da war ich mittendrin,
da hat sich was bewegt mit uns.
Jetzt fühlt er sich beobachtet. Jetzt
fühlt er sich
überlegen: die hängen hier rum,
bei dieser immer
schlechteren Musik,
leiden vielleicht an
ihren Trips oder
an Langeweile, aber
ich,
und er zahlt, steckt
den Bon ein,
was hab ich alles
mitgemacht und weiß jetzt,
was zu tun ist, ich!
So ein Gedanke, er
sieht sich noch mal um,
ist das nun die
berühmte Erfahrung des
Alterns?
Und geht aus dem
Laden
und geht zum Arzt,
die Rückenschmerzen,
und abends die neue
Platte mit
neuen Enttäuschungen,
die
Vergangenheit ist
Vergangenheit –
und nicht vorbei.
(aus:
F.C Delius, Ein Bankier auf der Flucht.
Gedichte und Reisebilder, 1977 Rotbuch Verlag)
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