Dienstag, 5. Juli 2016

Das Phänomen "Hören"

Nur Zuhören

Nicht wie wir zu anderen sprechen, noch was wir zu anderen sagen bestimmt unsere inneren Beziehungen, sondern wie wir den anderen  zuhören. Das heißt: wie lange und wie tief wir das Gesagte in uns klingen lassen können, ohne sofort zu reagieren. In dieser diziplinierten Verhaltenheit des Zuhörers liegt der ganze Kunst des Zuhörens.

Nur der hört wirklich zu, der nicht nur während jemand spricht, sondern auch nachdem jemand gesprochen hat, immer noch zuhören und in sich hineinhören kann.

Sprechen dient nur äußerlichem Kontakt und äußerlicher Kommunikation zwischen Menschen. Innerer Kontakt mit einem anderen Mensch entsteht aus einem nach innen gerichteten Horchen.

Zuhören ist die Urkunst des eigentlichen Da- und Mitseins, eine stille Verkörperung unseres Selbstseins, die das Wesen des anderen berührt und zu sich heranzieht. Zuhören ist echte und wesentliche Beziehung.

Wie und worüber jemand zu uns spricht ist auch durch unser Zuhören bestimmt. Die Art und Weise, wie wir zuhören, läßt den Sprecher spüren wofür wir offen sind und wofür nicht.

Sprechen erlaubt uns, über alles zu reden, ohne wirklich etwas von uns oder zu jemand zu sagen. In Wörtern kann ich ein “es” erklären. Nur schweigend und wortlos kann ich ganz Ohr sein und mein inneres Ich auf ein “Du” richten.

Sprechen zwingt uns, unser ganzes Denken und Fühlen durch intellektuelle und emotionelle Begriffe zu verstehen. Zuhören erlaubt uns, unser inneres Wissen und unsere inneren Gefühlstöne leiblich zu erleben und schweigend zu verkörpern.

Der andere wird nur dann zum wirklichen Gesprächspartner, wenn das, was gesagt wird, weder eine Rede über etwas ist, noch zum überreden eines anderen dient, sondern eine Antwort ist auf ein bisher Unausgesprochenes.

Wo unsere Aussagen nichts unausgesprochen lassen, sagen sie nichts. Wo unser Ohr nicht auf das Ungesagte horcht,  spricht uns nichts an.

Zuhören ist nicht nur der zeitweilige Verzicht, etwas zu sagen, sondern die Fähigkeit, unsere möglichen Ant-worten wortlos und wissentlich zurückzuhalten. Der verhaltende Zuhörer ist sich seines eigenes Ungesagten nicht nur bewußt, er un-sagt es durch die lautlosen Töne seines Hörens und Horchens.

Wenn man sich in etwas hineingehört hat, dann gehört man dazu.

Gruppenzugehörigkeit erwächst aus gegenseitigem Zuhören zu den Einzelnen durch das jeder seine eigene Stimme in den Worten des anderen hören kann.

Sogenannte “Metakommunikation” ist der eigentliche Grund der Kommunikation. Wo es keine Metakommunikation gibt, gibt es keine echte Kommunikation.

Der Kunst der echten Kommunikation ist die Kunst der bewußten Metakommunikation.

Sogenannte “dynamische Führungskräfte” sind oft Menschen, die ständig unter dem inneren Zwang stehen, aus einem Gespräch etwas  “machen” zu müssen, zu allem etwas zu fragen oder zu sagen zu haben, und auf andere sofort reagieren zu können.  Innere Stille und Schweigen können sie nicht ertragen. Deshalb ist es ihnen fast unmöglich, anderen Menschen wirklich zuzuhören. Ihr narzistischen Selbstbild erlaubt ihnen nicht, berührt und betroffen zu sein, oder durch das, was gesagt wird, zum Nachdenken gebracht zu werden.

Die Annahme, daß wir uns in einer Fremdsprache auf genau die gleiche Weise ausdrücken können müßten wie in unserer Muttersprache, ohne daß die Fremdsprache in ihrer Fremdheit auf uns einwirkt, stellt Sprachen als bloße Werkzeuge dar, die beliebig gegeneinander ausgetauscht werden können.

Wenn wir nicht bereit sind, unsere eigene Stimme durch die Stimme der Fremdsprache bestimmen zu lassen, dann scheint all das, was der Fremdsprache eigen, aber der Muttersprache fremd ist, nicht ganz zu “stimmen” oder gar “unlogisch” zu sein.

Sprache ist nicht durch Logik bestimmt - im Gegenteil, das, was wir logisch nennen, ist das, was mit der durch die Mutterprache bestimmten Struktur unsere Denkens übereinstimmt.

Lernerfolg im Spracherwerb heißt nicht, daß man eine Fremdsprache beherrscht, sondern daß man sich ihr hingibt.

Eine Fremdsprache zu lernen bedeutet vor allem, sich selbst und die Sprache mit einem neuen, anderen Ohr zu hören... das Sprechen folgt dann beinahe von selbst.

Eine Fremdsprache zu lernen heißt nicht nur, sich mit anderen Worten auszudrücken, sondern sowohl sich selbst als auch die Sprache selbst mit anderen Ohren zu hören.

Um ein französisches Wort richtig zu hören, muß man es mit einem französischen Ohr hören.

Um ein fremdes Wort oder einen fremden Satz richtig aussprechen zu können, muß man erst lernen, das Wort oder den Satz  innerlich zu wiederholen und  wiederhallen zu lassen.

Aussprache in jeder Sprache ist bestimmt durch inneres Hören und die Stimme unseres inneren Ohres.

Man übersetzt nicht Wörter. Man entnimmt dem einen Wort den Kern der Bedeutung und planzt ihn in den Boden der anderen Sprache.

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