Mittwoch, 28. Januar 2015

Vom Nutzen und Nachteil des Denkens für das Leben

Vom Nutzen und Nachteil des Denkens für das Leben

Vorlesungen zur Einführung in die Philosophie

Prof. Konrad Liessmann, Uni Wien SS1998


  1. Vorlesung: Lachen

– 6.Jhd. v.Chr.
Die Geschichte der Philosophie beginnt mit der Erzählung von ÄSOP
„Das Lachen der Thrakerin“.  -eine paradigmatische Geschichte
-(vorerst war es) ein Astronom, der über die Schönheit der Gestirne die alltägl. Tücken vergaß.

~150 Jahre später
PLATON gibt der Geschichte eine neue Gestalt, transformiert sie ->Bezug auf Philosophie -> zweideutige Inaugurationsgeschichte
Er ist der erste Denker, der am Beginn der schriftlich fixierten europäischen Tradition der Philosophie steht; gilt daher als Ahnherr derselben
-Nun ist es THALES, der in einen Brunnen fällt und von der thrakischen Magd ausgelacht wird.
-Thales galt der Antike als erster wirklicher Philosoph. Sein Stolpern symbolisiert jenes der Philosophie. Das Lachen der Thrakerin, einer barbarischen Sklavin, steht für das des gemeinen Menschen.
->wer nach allzu ferner Erkenntnis trachtet, stolpert über das Nächstliegende.
-grundlegender Widerspruch zw. Philosophischem Denken u. praktischem Leben.
-Vorwurf: für das Leben nützt das Denken nichts

- Aristotelische Zusatzgeschichte
-Thales sah Ölernte voraus(astronomisches Wissen) –mietete Ölpressen –machte Profit
-gilt als gelungene Verteidigung der Philosophie
-Spötter verkennen Weisheit, Möglichkeit der Philosophie, die in der Selbstbeschränkung liegt.

- 17.Jhd
ABRAHAM A SANTA CLARA
-Thales fällt in Kotlacke –wird von altem Weiblein ausgelacht.
->Spott des demütigen Christenmenschen über die Hybris der heidnischen Philosophie.
-Widerspruch nun zw. Denken u. Glauben. Bedeutungsvoll für Geschichte der Philosophie in Europa.

-SOPHISTEN, eine Gruppe von Menschen, die den effizienten Umgang mit Wissen lehrten. Ziel ist der praktische Nutzen. (PROTAGORAS von ABDERA; GORGIAS)
Abendländische Philosophie ist als Kritik an dieser Nutzung des Wissens entstanden.

Kennzeichen d. Philosophie:
-Absage an eine rein am materiellen Nutzen orientierte strategische Handhabe des Wissens
-kein vordergründiger Nutzen -> Wissen, dass sich um seiner selbst Willen lohnt.

- THEODOR W. ADORNO bezeichnete die Philosophie als eine Art Weltweisheit
diese wird aber nicht nur „geliebt“(philos) sondern sie ist auch Ziel des Erlernens, Aneignens.
-diese Weisheit ist (zumindest) im antiken Verständnis theoretisch.

-theoretisches Schauen ist absichtsloses Schauen, Erkennen, Nachdenken
-bezieht sich nicht auf Dinge des profanen Alltags, sondern auf Dinge, die diesen überschreiten, transzendieren.
-Eine Theorie will das erfassen, was hinter den Dingen liegt –Bedeutung der Dinge erkennen, die an diesen selbst nicht direkt ablesbar ist.
-> Aspekt der Absichtslosigkeit & Aspekt, alles in einen übergeordneten Zusammenhang stellen zu wollen.

->es besteht ein Gegensatz zw. Theorie u. Praxis; Denken u. Leben
->Spannungsverhältnis zw. Philosophie und Praxis
- ARISTOTELES erhebt das Nachdenken zur Lebensform ->vita contemplativa; hält diese für die höchste, angemessenste schlechterdings. Im Leben für die Theorie erfüllt sich das, was Menschsein heißt. Einzige Voraussetzung dafür ist Freiheit.



  1. Vorlesung: Staunen

Alternierender Anfang der Philosophie ist das Staunen; die Verwunderung
-Tradierter Topos von Platon:
Sokraktes sagt: „Dein Zustand, die Verwunderung ist recht typisch für einen Philosophe“n

-ARISTOTELES: Denn Verwunderung war den Menschen jetzt wie vormals der Anfang des Philosophierens, indem sie sich anfangs über das nächstliegende Unerklärte verwunderten, dann allmählich fortschritten und auch über Größeres Fragen aufwarfen.

-GÜNTHER ANDERS:  Die Chance des Philosophen besteht in seiner Unfähigkeit das Wort selbstverständlich zu verstehen. Seine Tugend in der Fähigkeit, diese Unfähigkeit allen Anfechtungen des Alltags zum Trotz durchzuhalten.
->Kultivierung und Verteidigung der Unfähigkeit

-THEODOR W. ADORNO:
-Philosophie ist der zum Bewusstsein erhobene Widerstand gegen alle Klischees.
-An seinen Defekten sollt ihr ihn erkennen: nicht durch das, was er versteht, unterscheidet sich der Philosophierende vom Nichtphilosophierenden, sondern durch das, was er absolut nicht verstehen kann.

-Das Nichtselbstverständliche ist das Erstaunliche. Alles kann bezweifelt werden. Dieses Nachfragen birgt aber auch Vorwürfe dagegen in sich.
-Der Philosophie geht es um diese Fragen, nicht explizit um die Antworten.

Antiakademische Philosophen: Anders, Marx, Kierkegaard, Nietzsche
Ein wirklich lebendiges Leben ist kein durch Wissenschaftsbetrieb reglementiertes.

Signum ist nicht nur das Staunen, sondern das Nichtverstehen.

Charakteristischer Aspekt d. europäischen Philosophietradition: das Dialogisieren.
Ein Kerngedanke: nicht der Austausch von Meinungen  oder Positionen, sondern der von Argumenten steht im Mittelpunkt. Die argumentativ nachvollziehbare Bestätigung durch den anderen wird zur Überprüfung der eigenen Denkleistung angestrebt/herangezogen.

GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL  
-Hauptwerk: Phänomenologie des Geistes (1806)

-abstraktes Denken
Wer denkt abstrakt? Der ungebildete Mensch, nicht der gebildete.
Abstraktion -abstrahere- ist nach Hegel das Betrachten einer Perspektive, nicht der anderen Facetten.  Die Sache wird auf einen Punkt reduziert; auf wenige starre Kategorien. ->Abstraktion ist immer ein Reduktionsprozess.

-konkretes Denken
ist vielfältiges, mehrdimensionales Denken. Ggs. zu abstraktem.
Etw. auf seinen Begriff bringen = nicht reduzieren, sondern in seiner Komplexität darstellen.

Die Wirklichkeit ist uns somit in der Abstraktion selbstverständlich -> kein Staunen.
Philosophisches Denken ist Denken des Konkreten.
Alltägliche, reduzierende Sprache ist nicht geeignet um philosophischer Komplexität gerecht zu werden ->Dilemma, Zwiespalt

[-eine eigenständige Sprache war Gegenstand einer Koketterie]


KANT
-Schulbegriff der Philosophie: alles was diese im Rahmen ihres Denkens und ihrer Geschichte geleistet hat, was schriftlich fixiert wurde –sich schulmäßig aneignen lässt

-Weltbegriff der Philosophie: „Wissenschaft von den letzten Zwecken der menschlichen Vernunft. Philosophie allein hat inneren Wert und gibt allen anderen Erkenntnissen erst einen Wert.
->die Bedeutung vom Menschsein kann mit Vernunft diskutiert werden ->Sinn und Zweck des Menschseins

->aus dem Weltbegriff abgeleitete Kernfragen:
-Was kann ich wissen?  ->Quellen, Grenzen des Wissens

-Was soll ich tun? ->Motive, Beweggründe des Handelns; Freiheit ist Voraussetzung zur Beantwortung der Frage.

-Was darf ich hoffen? ->bezieht sich auch auf Grenzen des Erkenntnisvermögens. Gibt es jenseits dessen Hoffenswertes? (Unsterblichkeit der Seele, Gott, Gerechtigkeit)

-Was ist der Mensch? ->Ist Kulmination und Bündelung der vorhergehenden Fragen?
Tempel zu Delphi: Gnôthi sautón – Erkenne dich selbst. -> sich selbst zum Ausgangspunkt des Staunens machen ->philosophieren

Zsf: Beweggründe des Philosophierens: Bedenken des Konkreten, Staunen, das Selbstverständliches nicht selbstverständlich werden lassen.



  1. Vorlesung: Erzählen

Begriff: Denken
Der Mensch hat die Fähigkeit, zu sich selbst in Distanz zu treten, sich selbst zum Gegenstand zu machen, Subjekt und Objekt gleichzeitig zu sein.
Im Moment des Erlebens, kann man sich selbst zum Gegenstand der Reflexion machen ->die Handlungen werden zum Gegenstand des Denkens.
Mit dem Eintritt des sich selbst Bedenkens war auch das Selbstbewusstsein da.

Im Zusammenhang mit Bewusstsein stehende Phänomene: Sprache, Intelligenz, Kultur
-das Moment des Denkens ist Voraussetzung für die menschl. Existenz.
-als erste bewusste Wahrnehmung des Menschen wird die Angst gesehen

HANS BLUMENBERG sprach in diesem Zusammenhang von einem Absolutismus der Wirklichkeit –also einer vom Menschen unabhängig existierenden Wirklichkeit, die überlegen und vorgeordnet war. Denken bedeutete Ressourcenhaushalt zum überleben.
->um sich dieser Wirklichkeit gewahr zu werden, um sie angehbar zu machen, schuf der Mensch Kunstgriffe z.b. Supposition, um Unbenennbares durch Benennbares zu erklären, zu ersetzen.
Das Erzählen über solche Mythen wird zu einer der ersten Formen des Umgangs mit der Wirklichkeit, zu einem Dokument des Bewusstseins.
Zugrunde liegt diesem Verhalten das Kausalitätsprinzip ->das Erklärbarmachen mittels Ursachen
->ebenso nahmen diese Mythen dem Unbekannten seine Bedrohlichkeit. Durch die Namensgebung wird Identität, Existenz beim Menschen erreicht.
Der absoluten Wirklichkeit wurde ihr ungeordnetes Chaos genommen.

Vom Mythos zum Logos ->soll suggerieren, dass Philosophie genau dort begann, wo logisches Denken den Mythos abzulösen begann. Tatsächlich waren aber bereits logische Ansätze im Mythos zu finden.

Mythisches Denken besteht im Erzählen und macht das Unvertraute vertraut. (-> Anthropomorphismus) Blumenberg meinte, dass der Mythos selbst eine hochkarätige Arbeit des Logos darstelle; mythische Erklärungen sind stückweit logisch.
-Beides sind Welterschließungsformen, die das gleiche bedeuten können: „Rede“

-wesentlich beim Mythos ist der narrative Kern

->6.Jhd. v.Chr. Logizität, Rationalität, Theorie, Philosophie, Wissenschaft wurden entwickelt-> Logozentrismus

-OLOF GIGON: Personen-Analogien wurden durch Sach-Analogien abgelöst (Mythos-Logos) -> Wirklichkeit wurde entpersonifiziert

THEODOR W. ADORNO; MAX KORKHEIMER „Der Animismus hatte die Sache beseelt, der Industrialismus versachlicht die Seelen“

Geschichte von Protagoras: Menschen werden bei Fähigkeitenverteilung vergessen. Prometheus stiehlt auf Epimetheus Bitte techn. Intelligenz und Feuer für Menschen. Das reicht aber noch nicht und deshalb gibt Zeus ihnen Scham(Rücksichtnahme) und Recht(Gerechtigkeit)

Das verdeutlicht, dass der Mensch von jeher ein schwer defizitäres Wesen ist.

ARNOLD GEHLEN: Mensch ist Mängelwesen

-Mythen sind insofern Ausdruck der Vernunft als sie zur Klärung, Kalmierung von Sachverhalten beitragen. 
Vernunft als lebensweltliches Prinzip arbeitet im Mythos selbst.

HERAKLIT: „Gemeinsam ist allen das Denken.“ / „Den Menschen allen ist zuteil, sich selbst zu erkennen und verständig zu denken“ ->Der Logos, die Vernunft, ist allen Menschen gemeinsam.
Logos war bei Heraklit „Feuer“, Vernünftigkeit, sowie das einheitsstiftende Prinzip, dass unter all den Menschen diese Vernunft überhaupt ermöglicht.  ->Logos ist sowohl subjektive Denkfähigkeit als auch die Übereinstimmung dieser mit einem allgemeinen einheitlichen Prinzip.

Denken wird als Tätigkeit der Subjektivität erfahren: „ich denke“

IMMANUEL KANT: Maximen denen souveränes Denken, wenn es den Prinzipien der Vernunft folgen will, folgen muss:
-Selbst denken.
-Sich (in der Mitteilung mit Menschen) in die Stelle jedes anderen zu denken.
-Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken




  1. Vorlesung: Schauen

Kennzeichen der Welt der Mythen: Anthropomorphismen

PROTAGORAS: Der Mensch ist der Maßstab aller Dinge, der Seienden, dass sie sind und der Nichtseienden, dass sie nicht sind.
Mensch wird hierbei weniger als Gattungswesen, sondern als Individuum verstanden. ->jeder sieht und beurteilt die Welt auf seine Weise.
Gemeint ist auch, dass der Mensch in seinem bewussten Denken keine andere Möglichkeit hat, als sich in seiner Subjektivität zum Ausgangspunkt dieses Denkens zu machen.
Beim Versuch das zu verstehen, was außerhalb des Bewusstseins liegt, ist man letztlich immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen.


Versuche rationaler Weltdeutung:

Mit der Ablösung des mythischen vom rationalen Denken, wird das Denken, das sich über sich selbst aufklärt erst anthropozentrisch.
Beginnt vlt. mit
XENOPHANES: Wenn Kühe,Pferde oder Löwen Hände hätten und damit malen und Werke wie der Mensch schaffen könnten, dann würden die Pferde pferde-, die Kühe kuhähnliche Götterbilder malen und solche Gestalten schaffen, wie sie selber haben.

Auch bei LUDWIG FEURERBACH schlug sich der Gedanke nieder, dass die Gottesvorstellungen nichts anderes sind als die Projektion der menschlichen Sehnsüchte, Ängste und Wünsche in einen imaginären Raum.

Vorsokratische Philosophen = IONISCHE NATURPHILOSOPHEN zählen zu den ersten, die versucht haben auf rein spekulativem Weg, Gründe für das Dasein der Welt zu finden.

Urtext für die Frage nach dem Sein ist das Höhlengleichnis(evtl. nachlesen! Vor allem über den Weg, den man bildlich bis zur Erkenntnis zu gehen hat). (Aus Platons Dialog über den Staat) 
Höhlengleichnis       - spielt auch auf die Biographie des Sokrates an.
                                    - vllt. prägnanteste Darstellung von Platons Ideenlehre
- Geschichte über das Schicksal der Philosophen.
- skizziert den Weg des Denkens selbst. Verdeutlicht, dass alles wahre Wissen nicht ohne Mühe erworben werden kann

-> um der Wahrheit willen, muss die Sinnlichkeit zurückgestellt werden. Die Ratio bekommt also den Vorzug. Die Bevorzugung der Tätigkeit des Intellekts gegenüber den Sinnen, prägte die europ. Kultur und Philosophie auf Jahrhunderte nachhaltig.

-Problembehaftet ist auch die Weiterleitung des Wissens wenn dieses erfahren, geschaut und dann den Nichtwissenden zugänglich gemacht werden soll.
GORGIAS Sager fußt in dieser Problematik:
Erstens: es gibt nichts; zweitens: wenn es auch etwas gäbe, wäre es doch für den Menschen unerkennbar; drittens: wenn es auch erkennbar wäre, wäre es doch unserem Mitmenschen nicht mitteilbar und verständlich zu machen. Es gibt also nichts.

-Dieses Denken ist an die Metapher des Schauens gebunden. Das philosophisch argumentierende Denken versucht, sich über die Widersprüche seiner Erfahrung zur Wahrheit vorzutasten und hinter dem sinnlichen Erscheinungsbild der Dinge ihre wahre Gestalt, die Ideen, zu schauen.
Platon wirft gleichsam die Frage auf, woher das Denken die außerordentliche Fähigkeit haben soll, die Sinnesorgane und Sinneserfahrungen zu korrigieren und die Wahrheit zu erkennen.
Als Erklärungsmodell dient die s.g. Anamnesislehre, ein Konzept der Wiedererinnerung.
->die geistige Schau wird zur inneren Schau.
Die Wahrheit liegt immer schon in uns, das sokratische Gespräch, der vernunftgeleitete Dialog, hilft nur, diese Wahrheit ans Licht zu bringen.
->Mäeutik, Hebammenkunst des Sokrates. 
->ein Gedanke, der in ähnlicher Form auch später zu finden war (->Freud: Das Vorbewußte)

Das An-sich-Sein der Dinge ist in Wirklichkeit nie erfahrbar. Jede Wirklichkeitserfahrung liefert nur Abbilder.

Wie verhält sich die Idee zur Wirklichkeit? Entweder ist die Wirklichkeit ein Schatten, ein Abbild der Idee oder in ihr offenbaren sich Anteile(Platon) der Idee.


Platons Ideenlehre: Diskrepanz zw. wahrnehmen und denken können.

Die Sonne außerhalb der Höhle repräsentiert das Gute. Nur dort, wo Sonne scheint, ist Erkenntnis möglich. -> Erkenntnis und Wahrheit sind mit Fragen der Moral verbunden.
Heutige Gültigkeit? ->Kritik durch Nietzsche



  1. Vorlesung: Urteilen

Erkenntnis heißt Wirklichkeit nicht mehr ausschließlich sinnlich wahrzunehmen.
Differenz zu Wahrnehmung, Erfahrung, Kenntnisnahme. Also nicht jene Kenntnisse, die wir uns durch unmittelbaren Lebensvollzug aneignen; kein durch Erfahrung akkumuliertes Wissen.

Woher kommt die Hybris des Denkens, davon auszugehen selber im Stande zu sein, die Wirklichkeit in wahrhafter Gestalt zu schauen? ->antikes Denken folgte einem ontologischen Paradigma. Ein Denken, das erkennen will, was ist, nicht, was uns erscheint.

Gespaltene Wirklichkeit:

-PLATON: das Sein ist keine Wirklichkeit im sinnlichen Sinn, sondern präsentiert sich als nur durch das Denken erfassbare Idee. -> die Wahrheit liegt im Denken selbst.

-PARMENIDES von ELEA(Vorsokratischer Denker): „Denn dasselbe ist Erkennen und sein“.  Erkennen und Sein sind dasselbe –> die Wahrheit der Wirklichkeit und das Denken fallen zusammen. Nur was gedacht werden kann ist auch – das Nicht-Seiende kann schlechterdings auch nicht gedacht werden.

Metaphysik: Bemühungen sich des eigenen Denkens und seiner Prinzipien zu vergewissern (=Erste Philosophie). Voraussetzungen festmachen, die überhaupt eine Erkenntnisleistung ermöglichen.

Aristotelische Teilung der Wissenschaften in:
-theoretische Wissenschaften: untersuchen, das, was nicht anders sein kann. handeln von Notwendigkeiten. (Physik, Mathematik, Metaphysik)
-praktische Wissenschaften: behandeln, das, was anders sein kann. handeln von Möglichkeiten des Handelns. (Ethik, Politik)

Aristoteles im Organon: Jedes ohne Verbindung gesprochene Wort bezeichnet entweder eine Substanz oder eine Quantität oder eine Qualität oder eine Relation oder ein Wo oder ein Wann oder eine Lage oder ein Haben oder ein Wirken oder ein Leiden.
->Kategorien, die eine bestimmte Dimension eines Gegenstandes definieren.
Wurden später von Kant modifiziert.

Substanz meint kein von der Erscheinung der Dinge abgelöstes Sein, sondern das wesensmäßig zu einem Ding gehörende.

Das Akzidentelle ist das Äußere, das am Wesen des Dings, an der Substanz nichts mehr verändert.

Denken beginnt mit der Fähigkeit einfach Aussagen, Urteile über die Wirklichkeit zu machen. Aristoteles bezog sich auch auf mögliche Verknüpfungen verschiedener, die Wirklichkeit betreffender, Aussagen miteinander.
->zum ersten Mal wurde die Fähigkeit des logischen Denkens, des Schlussfolgerns, konsequent reflektiert.
In der Fähigkeit, aus einmal gefundenen Aussagen andere Aussagen stringent abzuleiten, waltet eine regelhafte Notwendigkeit.
Das Denken hat eine von Inhalten unabhängige Form, die sich systematisieren – schematisieren lässt.
->in kategorische Urteile: bestehend aus Subjekt(S), einer verbindenden Kopula(ist, ist nicht, sind, sind nicht) und einem Prädikat(P)
Formen des Urteils:
-          A(allg. bejahende Urteilsform): „Alle S sind P“
-          E(allg. verneinende Urteilsform): „Kein S ist P“
-          I(partiell verneinende Urteilsform): „Einige S sind P“
-          O(partiell verneinende Urteilsform): „Einige S Sind P“

Im Mittelpunkt der Aristotelischen Logik steht Syllogistik (Lehre vom richtigen Schließen). Darin wird die logische Gültigkeit, nicht die Wahrheit von logischen Argumenten untersucht.

Alle Menschen sind sterblich
Sokrates ist ein Mensch
-----------------------------------------
Sokrates ist sterblich

Wenn die Prämissen die Konklusion ergeben, handelt es sich um ein gültiges Argument. Die Gültigkeit des Arguments hängt allein von seiner logischen Form ab. Die Haltbarkeit davon, ob die Prämissen wahr sind.

Satz des zu vermeidenden Widerspruchs:  Dasselbe kann demselben und in derselben Beziehung unmöglich zugleich zukommen und nicht zukommen. Es ist nämlich unmöglich, dass jemand annehme dasselbe sei und sei nicht.
Einzige zugrunde liegende Denkoperation: Negation

-der Satz grundlegt die Logik.
-Problem der Selbigkeit.

Satz der Identität: A ist (=) A (s. d.), d.h. jeder Begriff soll im Denkverlaufe als der gleiche und in gleichem Sinne gesetzt und behandelt werden.
-Der Satz ist die Grundnorm unseres Denkens, zugleich ein Ausdruck der Identität unseres Ich, welches, um seine Einheit zu behaupten, sich in seinem Wollen und Denken gleichbleiben und, wenn es Wahrheit haben will, die Konstanz der Begriffe bewahren muß. Unter allen Umständen und in allen Verwicklungen und Umhüllungen muß der Begriff als eben der gleiche Begriff fixiert werden können.


           

6. Vorlesung: Zweifeln

DESCARTES: Meditationen über die erste Philosophie
-Stellte sich die Frage nach der tatsächlichen Gewissheit der Wahrnehmung
wollte einmal von Grund auf alles umstürzen und von den ersten Grundlagen an ganz neu anfangen.
-diese fundamentale erkenntnistheoretische Skepsis wird begründet durch ein altbekanntes Klugheitspostulat: wer einmal lügt, dem traue nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht.
Methodischer Zweifel: alles wird angezweifelt, was angezweifelt werden kann:
Gott als genius malignus ?
Grunderfahrung die Skepsis wachsen lässt ist der Traum.

Wenn jegliche Form von Bewusstseinsinhalten ausgeschaltet wird, bleibt nur das Ich, das darüber zweifelt, was es eigtl für ein Ich ist
->„Ich bin, Ich existiere“ (cogito ergo sum); ist die einzige Gewissheit, die sich aus dem methodischen Zweifel ergibt. (=kein existenzieller Zweifel)
Das Cartesianische Cogito bezieht sich nicht ausschließlich auf die mögliche Bewußtseinsfähigkeit, sondern vielmehr darauf was unbezweifelbar gewiss ist.
D. gilt als Begründer des Rationalismus.
Das denkende Ding(res cogitans): besteht aus Denken, Wille, Imaginationskraft, Empfindung
->das Denken kann sich demnach seiner selbst vergewissern

Regeln für den richtigen Vernunftgebrauch:
-          Niemals eine Sache wahrnehmen, die ich nicht als solche sicher und einleuchtend erkennen würde ->Vorurteile abbauen
-          Jede der Schwierigkeiten, die ich untersuchen würde, in so viele Teile zu zerlegen als möglich und zur besseren Lösung wünschenswert wäre.
-          Gedanken ordnen: beginnen mit den einfachsten und fasslichsten Objekten und aufzusteigen allmählich und gleichsam stufenweise bis zur Erkenntnis der kompliziertesten, und selbst solche Dinge irgendwie für geordnet zu halten, von denen natürlicherweise nicht die einen den anderen vorausgehen.
-          Überall so vollständige Aufzählungen und so umfassende Übersichten zu machen, dass ich sicher wäre, nichts auszulassen.








  
  1. Vorlesung: Spüren

Frage nach der Gewissheit des Wissens. Eine Notwendigkeit?
Rationalismus:           -Verstandesorientiertes Handeln
                                    -Form der ökonomischen Effizienz
                                    -Erkenntnis aus der Vernunft

Die Frage nach der Wahrheit der Wirklichkeit konnte nicht mit der alleinigen Beschränkung auf die Vernunft beantwortet werden.
Gegenthese: wirkliche, wenn auch nicht absolut sichere Erkenntnis ist nur durch Erfahrung zu gewinnen
->Mensch ist nicht nur res cogitans, sondern auch res extensa(=alles materielle; die spürbare Wirklichkeit)

Empirismus: jene Philosophie, die nicht die Ratio, sondern die Erfahrung, die sinnliche Wahrnehmung, die Empirie zur Grundlage des Erkenntnisvermögens macht.
-Ist die Affektion durch die Außenwelt ausreichend zu einer Durchdringung der Wirklichkeit?
Rationalistische Philosophen waren eher auf dem Kontinent beheimatet. Empiristische hingegen waren eher in England, Amerika sesshaft, was mit einer früheren Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft dort zu tun hatte.


-bedeutende angelsächsische Empiristen:    

Locke und Hume: alle Erfahrung ist uns nur über das System Bewusstsein zugänglich.
Dieses ist gleichzeitig Barriere vom unmittelbaren Zugang zur Außenwelt.

-JOHN LOCKE (Essay Concerning Human Understanding): wendet sich gegen jede Form des Innatismus ->es gibt keine angeborenen Ideen. Der Verstand funktioniert wie ein tabula rasa. Die Erfahrungen der Wirklichkeit sind es, die diesen beschreiben und so die Erkenntnis ermöglichen.
Es gibt also kein angeborenes (platonisch:vorgängies) Wissen, dessen man sich nur erinnern kann.
-Eine einzelne Sinneswahrnehmung kann weder einen Erfahrungs- noch einen Erkenntnischarakter beanspruchen. Erst komplexe Wahrnehmungen –als Kombination mehrerer Sinneseindrücke- ergeben ein sinniges Bild von der Welt.
            -äußere Sinneswahrnehmung(sensation): basale Sinneseindrücke: Farben , Gerüche, Laute, Düfte
                        -primäre Qualitäten: dem Gegenstand objektiv zukommendes
                        -sekundäre Qualitäten: dem Subjekt zugehöriges; rein subjektiv
            -innere Selbstwahrnehmung(reflection): Bewusstseinsinhalte, die man als Momente des Bewusstseins wahrnimmt(Akte des Denkens, Wollens, Glaubens)                                                                            
In sich zusammenfällt diese Unterscheidung durch folgendes: Locke meint, dass sich alles was wir wahrnehmen oder empfinden letztlich nur in unserem  Bewusstsein finden lässt.  -> das Bewusstsein hat kein anderes unmittelbares Objekt, als seine eigenen Ideen. (engl. idea ist ungleich mit der platonische Idee) -> was für uns nicht bewusst ist, ist nicht.

[GEORGE BERKELEY: Esse est percipi aut percipere]

->es muss darauf verzichtet werden, an den Dingen die Wahrheit zu entdecken zu glauben. Kritisches Nachdenken kann sich ausschließlich  auf die Vorstellungen –ideas- unseres Bewusstseins beziehen.
Das Bewusstsein äußert sich in Sätzen ->Erfahrungen müssen als Satz formuliert werden; sind Bewusstseinsinhalt
->die Wahrheit lässt sich im Grunde nicht auf Wirklichkeit oder Erfahrung beziehen, sondern nur auf Sätze.
Die Welt außerhalb des Bewusstseins ist so gesehen unzugänglich.

ARISTOTELES & THOMAS von AQUIN: Wahrheit sei schlechterdings die Übereinstimmung des Verstandes und seiner sprachlichen Artikulationsmöglichkeiten mit einer behaupteten Sache: Veritas est adaequatio rei et intellectus.



-DAVID HUME            
2 grundsätzliche Erfahrungsmöglichkeiten:
-Eindrücke von außen: impressions
                                    -innere Vorstellungen: ideas
-Erkenntnis ist immer das Erkennen von Kausalitäten. -> Relation der Sinneserfahrungen ist Ursache & Wirkung; die Dinge stehen zueinander in einer Kausalitätsbeziehung
Wirkung wird beobachtet und auf Ursache zurückgeführt -> das sind aber nur Assoziationen von Vorstellungen in unserem Bewusstsein,; keine Entsprechung in der Wirklichkeit.
Somit liegt eine induktive Erkenntnis vor, die auf der Gewohnheit basiert. Alle Schlüsse aufgrund der Erfahrung sind deshalb Wirkungen der Gewohnheit und nicht der Erfahrung.
Naturwissenschaftliches Wissen ist ein Wahrscheinlichkeitswissen
Alle Erkenntnis die versucht sich rein auf Erfahrung zu stützen ist somit plausibel –nicht aber notwendig.



  1. Vorlesung: Begrenzen

IMMANUEL KANT: Fragestellung: Was kann ich grundsätzlich wissen? Wo liegen die Grenzen des Wissens?
Er untersuchte die Möglichkeiten und Grenzen von Erkenntnis.
2 Arten von Erkenntnis:
            -a posteriorische = empirische
            a priorische = vor aller Erfahrung

Kritik bedeutet bei Kant „Kunst der Beurteilung“. Er untersucht die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis(reine Vernunft), von Moral(praktische Vernunft) und von ästhetischer Wertung(Urteilskraft) festzulegen.
Ziel Kants war es die Möglichkeiten des Erkenntnis- und Beurteilungsvermögens auszuloten

Transzendental meint bei Kant, die der Vernunft –oder einem anderen menschl. Vermögen- zugrundeliegende Bedingung

Kant ging es nicht darum die Vernunft absolut zu setzten gegenüber der Sinnlichkeit.
Der Anspruch der Kantischen Vernunft ist universalistisch, nicht absolut. Er meint, dass die Vernunft das entscheidende Vermögen ist, das alle Menschen miteinander teilen. Auch die Vernunft vernunftbegabter anderer Wesen müsste nach denselben Prinzipien funktionieren und auf denselben Voraussetzungen beruhen.

Er rief einen Paradigmenwechsel in der Erkenntnistheorie hervor: nicht mehr die zu erkennende Welt stand im Mittelpunkt, sondern das zu erkennende Subjekt.
-> „Kants kopernikanische Wende“: nicht mehr die Objektive, Natur, Wirklichkeit sind dasjenige, an das man sich angleichen muss, sondern man lässt die Wirklichkeit um seinen Verstand kreisen.
Wenn nämlich der Verstand die Voraussetzung aller Erfahrung ist, müssen seine Regel auch vor aller Erfahrung gültig sein. Hat man diese Regeln erkannt, lässt sich daraus auch ableiten, welche Erfahrungen überhaupt gemacht werden können.
->die Wirklichkeit so zu erkennen –wie man das 2500 Jahre versucht hatte- wie sie an sich, unabhängig vom erkennenden Subjekt, ist, wird nun unmöglich.
Nicht die Beschaffenheit der Wirklichkeit ist es, von der die Erkenntnis abhängt, sondern die Möglichkeiten, die in uns angelegt sind.
Das An-sich-Sein der Dinge, das Ding an sich,  kann prinzipiell nicht erkannt werden. Man kann nur erkennen, wie die Dinge erscheinen.
Im Wissen aber, das menschl. Wissen Grenzen hat, steht auch fest, dass es hinter diesen etwas gibt, dass nicht erschlossen werden kann. -> komplexe Darstellung Sokratischen Nichtwissens. Das stellt auch eine Kränkung von der „Kritik der reinen Vernunft dar“, weil fortan die „großen Fragen“ (nach Kant) unerschließbar sein sollten.

Wichtig war kann die Differenzierung von Schein und Erscheinung.
Was uns umgibt, also die Sinnliche Erfahrung,  ist nicht Schein im Sinne von Täuschung –Abgrenzung von Platonischer Tradition- sondern ist tatsächlich die Erscheinung der Dinge, Spuren, die die Dinge in unserem Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögen hinterlassen. Auf der Suche nach diesen Spuren bleibt nichts anderes übrig, als Indizienprozesse gegen die Wirklichkeit zu führen.
Die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis ist, dass die Wirklichkeit und ich selber sinnfällig werden können, also meine Sinne in Erscheinung treten können.
-Als Voraussetzung der Bedingung der Möglichkeit sinnlicher Erfahrung sieht Kant Raum und Zeit.
->diese haften an der subjektiven Beschaffenheit unseres Gemüts, sind a priori als Anschauungsformen a priori zur Ausstattung des Subjekts gehörig und ermöglichen es Erfahrung zu machen; sind immer schon da; kein Resultat von vernünftiger Deduktion

Kant stellte einen Katalog –ähnlich wie Aristoteles- zusammen, der zwölf a priori Kategorien beinhalten, die Erfahrung ermöglichen.
            Quantität(Einheit, Vielheit, Allheit)
            Qualität(Realität, Negation, Limitation)
Relation(Inhärenz-Subsistenz, Ursache-Wirkung, Wechselwirkung zw. dem Handelnden und Leidenden)
Modalität(Möglichkeit-Unmöglichkeit, Dasein-Nichtdasein, Notwendigkeit-Zufälligkeit)

Die alleinige Erfahrungsmöglichkeit führt noch zu keiner Erkenntnis. Wsentliche Voraussetzung ist nach Kant die Spontaneität des Verstandes. Ein Regulativ der Sinneswahrnehmung. Der Verstand als dienstbarer Geist ordnet, schematisiert die unendliche Mannigfaltigkeit der Sinneseindrücke mit Hilfe der Kategorien und Anschauungsformen.
So ist das Bild der Welt weder, wie es sich uns bzw. unseren Sinnen präsentiert sondern so wie es von der spontane Tätigkeit des Verstandes, die eine synthetisierende ist, geformt wird.
Das geschieht durch Apprehension, Reproduktion und Rekognition durch das ICH.
Ein >Ich denke< begleitet also alle unsere Vorstellungen.

2 Arten von Urteilen:
-das synthetische Urteil: ist ein empirisches Urteil, das nie in einem logischen Sinn notwendig wahr ist, das zu einer Erkenntnis etwas hinzufügt.
-das analytische Urteil: ist ein deduzierbares, ein notwendig wahres.

Zentrale Frage im Zentrum der Kritik der reinen Vernunft: Gibt es eine synthetische Erkenntnis a priori?




  1. Vorlesung: Gut leben

Weitere Deutungsmöglichkeit der Thalesgeschichte: er hat sein Interesse falsch angesetzt. Nicht welt-abgehoben soll der Philosoph sein, sondern auf das Naheliegende achten –
Betont hat vor allem EPIKTET diese Wende von der ontologischen Theorie zur Thematisierung der alltäglichen Praxis: woraus das Seiende besteht. Wie der gestirnte Himmel gebaut ist, was am Anfand der Welt war und an ihrem Ende sein wird, sind luxuriöse Gedanken. In der Selbstbeschränkung, die darin besteht, diese Fragen auszulassen und sich jenen praxisbezogenen zu widmen, sieht er eine viel größere Herausforderung als beim Nachdenken über das Wesen des Seins.
Es geht ihm sowohl um die Frage nach den Grenzen der Erkenntnis, als auch um den tatsächlichen Nutzen dieses Wissens.
Es macht keinen Sinn das , was die Natur geschaffen hat, begreifen zu wollen, denn die Natur ist wie sie ist.
Wer sich selbst erkennen will, muss das Selbst in der Gesellschaft suchen. Für den antiken Menschen war das richtige Leben ein Leben in der Gemeinschaft. (polis) Fragen nach der Richtigkeit des Handelns können nur von sozialen Wesen gestellt werden.
Paradigmatische Neuorientierung: nicht: was kann ich von der Welt wissen – sondern was kann ich von mir wissen?

GIOVANNI BATISTA VICO hat ähnliche Überlegungen angestellt: der Mensch könne nur das wirklich verstehen, was er selber geschaffen habe.
Natur und Kosmos würden deshalb mehr Faszinationskraft ausüben, weil wir uns selbst zu nahe sind.

Die Kantische Frage: „Was soll ich tun“ ist einerseits an unser Gemeinschaftswesen gekoppelt, andererseits aber eine Frage nach unseren ganz spezifischen Vorstellungen nach einem geglückten Leben.

ARISTOTELES war der erste, der die Frage nach dem Glück als zentralen Begriff der Ethik verwendete ->Ahnherr der eudämonischen Ethik (Denksysteme, die das Glück des Menschen als moralische Hauptkriterium auffassen)




Vorläufige Definitionen:

Moral: Summe und Anleitungen von Regeln, Normen, Werten und Übereinkünften, die uns helfen sollen, ein richtiges Leben zu führen. Stärker als Konventionen aber schwächer als Gesetze.
Kann sich durch Rückbeziehung auf religiöse Instanzen, Traditionen oder einen Verweis auf den common sense rechtfertigen

Ethik: (gemäß dem antiken Denken): methodisches Nachdenken ^darüber. Beschäftig sich aber auch damit ob Lebensfragen mit vernünftigem Nachdenken geklärt werden können.

ARISTOTELES: Das höchste Gut ist dasjenige, das man um seiner selbst willen anstrebt: Glückseligkeit, Glück. Heißt: es muß Selbstzweck sein, eine autonome Zwecksetzung haben. Ein Gut, dass >für sich alleine genügend< ist.
Ist aber tatsächlich nur eine Hilfskonstruktion, die von dem Phantasma ausgeht, das Leben einem höchsten Ziel unterzuordnen zu können.
Weil der Mensch Zôon polotikón -ein von der Natur zur staatlichen Gemeinschaft bestimmtes Tier- ist, bezieht sich das „für sich alleine genügend“  nicht auf ein autonomes Ich, sondern auf das Leben in der Gemeinschaft.
->sowohl die Frage nach dem Lebenssinn, als auch die nach dem obersten Zweck ist somit an den gesellschaftlichen Kontext gebunden. Es gilt aber Obacht darauf zu legen, dass dieser Gemeinschaftsbegriff sich mehr auf die unmittelbare Umgebung bezieht und nicht auf die Menschheit schlechthin. Andernfalls wird man ins Endlose kommen.
Sinnvoll ist von besagtem Glücksbegriff zu sprechen nur dann, wenn sich ebenjenes nicht nur auf einzelne Höhepunkte beschränkt, sonder sich auf ein volles Menschenleben ausdehnen lässt.

Glücklich ist dasjenige Lebewesen zu nennen, das sich seinem Wesen gemäß am besten entfalten kann. Das oberste dem Menschen erreichbare Gut stellt sich dar als ein Tätigsein der Seele im Sinne der ihr wesenhaften Tüchtigkeit. Um also wesengemäß glücklich zu sein, Bedarf es der Vernunftbetätigung, der Optimierung der Vernunftbegabung
d.h. durch die Vernunft die Möglichkeiten des Lebens in ein ausgewogenes Maß zu einander zu bringen -> Maßhalten

Tüchtigkeit: durch Vernunft und auf Vernunft hin angelegte Entfaltung menschlicher Möglichkeiten, die eine seelische Vortrefflichkeit und einen letzten Endes tugendhaften Menschen ergeben soll.

Tugend: Herausarbeitung spezifischer Fähigkeiten, Tugenden, die ein vernunftmäßiges und damit glückliches Leben fundieren.

Zum Glück gehören zwei Dimensionen: eine gewisse Souveränität der Seele, Charakterfestigkeit, vernünftiger Umgang mit sich und anderen
Und materielle Sicherheit.





  1. Vorlesung: Tüchtig sein

Das Glück liegt also zu einem guten Teil in der Tugend. (zentraler Gedanke der Aristotelischen Ethik).
Diese Tugendhaftigkeit gründet in der Vernünftigkeit, die erlaubt mit Trieben, Begierden, Affekten und Ängsten rational hauszuhalten.

ARISTOTELES unterteilt seine Tugenden in zwei Hauptgruppen
-          dianoetische Tugenden = Tugenden des Verstandes
phrónesis(Lebensklugheit) und téchne(techn. Intelligenz)

-          ethische Tugenden: sollen den Menschen in die Lage versetzen zwischen zwei Extremen den mittleren Weg frei zu wählen.

Bei der Erstellung des Tugendenkataloges griff er auf Platon zurück. Jedoch wollte er diese nicht als platonische Ideen formulieren, da er den Menschen als  unvollkommenes Wesen befand.
Gesucht werden muss also die Verstandeskraft um ein rechtes Maß erkennen zu können und die Affekte in den Griff zu bekommen.

-          Gelassenheit: zw. Jähzorn und Phlegma
-          Tapferkeit: zw. Tollkühnheit und Feigheit
-          Scham: zw. Hemmungslosigkeit und Schüchternheit
-          Besonnenheit: zw. Zuchtlosigkeit und Stumpfsinn
-          Ehrliche Empörung: zw. Neid/Missgunst und ungerechtfertigter Anerkennung
-          Gerechtigkeit: zw. Gewinn und Verlust
-          Großzügigkeit: zw. Verschwendung und Geiz
-          Aufrichtigkeit: zw. Aufschneiderei und Selbstverkleinerung
-          Freundschaftlichkeit: zw. Schmeichelei und Widerwärtigkeit
-          Würde: zw. Unterwürfigkeit und Selbstgefälligkeit
-          Standfestigkeit: zw. Weichlichkeit und Härte
-          Hochsinn: zw. Aufgeblasenheit und Engstirnigkeit
-          Großartigkeit: zw. Angeberei und Engherzigkeit
-          Einsicht: zw. Gerissenheit und Einfältigkeit

Die Vernunft sollte aber nicht nur Instrument sondern auch als Ziel  sein. Ihre Betätigung als das spezifische menschliche Vermögen sollte der Weg zum Glück sein.

Nikomanische Ethik
Man kann genau dann glücklich sein, wenn man sich in seiner Lebensführung der Vernunft überlässt. Das bedeutet: das denkende Betrachtendes Daseins, nicht das Handeln, das reflektierte und reflektierende Schauen, nicht die verschiedenen Formen der Aktivität sind anzustreben.
- definiert das Glück als das Leben der aktiven geistigen Schau

3 Formen der Tätigkeit:
-Arbeit: niedere Sklaventätigkeit
-Herstellen:
-Praxis: die eigtl Betätigung des wirklich freien Menschen

Die Freiheit wird dort am größten sein, wo die Vernunft keine Rücksicht nehmen muss auf Gestaltungsgegebenheiten. (Mensch, Natur, Material)
Dort wo es darum geht Dinge in ihrer Gesetzmäßigkeit zu betrachten, dort ist die Freiheit am größten. Deshalb ist die reine Vernunfttätigkeit eine kontemplative (-> vita contemplativa)[aktives Schauen], eine beschauliche Tätigkeit im Gegensatz zum Arbeiten, Herstellen und Handeln(-> vita activa). (Verwendung bei Hanna Arendt)



  1. Vorlesung: Schön sterben

Das Denken weist nicht nur den Weg zum Glück, sondern in ihm selbst ist ein Stück weit dieses Glück schon realisiert.
Schon in der Antike wurde (nicht nur deshalb) die Philosophie als Lebensklugheit aufgefasst.
Konzeptionen daraus:

-Epikureismus: sieht in der Schmerzfreiheit ein wesentliches ethisches Kriterium, nicht in der Lustorientierung. ->kein exzessives Ausleben der Lüste, sondern ein maßvoller, gedrosselter Lustgebrauch.
Jede Form der Furcht vor Schmerzen solle damit überwunden werden können.
-Hedonismus: höchstes ethisches Prinzip ist Streben nach Sinneslust und Genuss


konträr zum Epikureismus
-Schule der Stoa: geht zurück auf ZENON von KITON
Ziel ist, das Denken so zu schulen, dass unsere Leidenschaften und Begierden nicht über uns dominieren.

Vorherrschend in der römischen Spätantike als Lebensform; Elemente flossen ins frühe Christentum ein; Marc Aurel und Epiktet  waren Vertreter der Stoa. 
Epiktet: „Das eine steht in unserer Macht, das andere nicht.“ ->fundamentaler Satz für jede Moralphilosophie
Epiktet geht nicht von der Freiheit, sondern von der Mächtigkeit des Handelns aus. Das Vermögen, das etwas in meiner Macht steht, wird so überhaupt erst zur Voraussetzung für die Möglichkeit von wirklicher Freiheit.
In unserer Macht steht(Epiktet): Annehmen und Auffassen; Handeln, Wollen, Begehren und Ablehnen.
-Alles was man selbst in Gang setzen und verantworten kann(Gedanken, Vorstellungen, Triebe).

-nicht in der Macht stehen Körper und Besitz, gesellschaftliches Ansehen und Stellung

-nur die innere Freiheit, Gelassenheit, Ruhe ist wirklich souverän verfügbar ->stoische Ruhe.
Beschränken soll man sich nur auf Dinge, die in der eigenen Verfügungsgewalt stehen –nicht auf jene die in der anderer stehen und deswegen verloren gehen könnten. Sobald man darin fehlt, wird man unglücklich werden.

->selbst der Tod braucht so nicht gefürchtet zu werden.

-Seneca: wenn die Tugend als Voraussetzung  der Glückseligkeit in der Vernunft(=aristotelischer Ansatz) liegt und man dort glücklich ist, wo man frei ist, bedeutet das, dass das Glück vom Moment der Freiheit abhängig ist.
Stoisch betrachtet heißt glückliches Leben nicht nur vernünftigen Lustgebrauch anzustreben, sondern auch seine innere Vernünftigkeit von keinerlei äußeren Einflüssen mehr stören zu lassen (die außerhalb unserer Macht stehen)

Das höchste Gut ist die Freiheit, mit der man sogar dem eigenen Tod gegenüberstehen kann.
-Die eigentliche Kunst des Lebens –ars vivendi- ist gleichbedeutend mit der Kunst des Sterbens (ars moriendi) [Sterben lernen]
->das führt Seneca sogar zu einer philosophisch fundierten Apologie des Selbstmordes

-Antike Ethiken sind nicht zwangsläufig als egoistisch zu bezeichnen, da allzeit bewusst war, dass das Leben den Menschen an die Gemeinschaft gebunden war.



  1. Vorlesung: Richtig Handeln

Nach jahrhunderte dauernder Dominanz der christlichen Ethiken, stellte sich für die Moderne die Frage nach der Moral neu.
->Moral wurde begründungsbedürftig; Vernunft vordergründig
auf der Suche nach einer allgemeingültigen Moral konnte die Orientierung am  individuellen Glück kein Maßstab mehr sein. Diese Vorstellungen waren subjektzentriert und ermangelten der Verallgemeinerungsfähigkeit

Der Utilitarismus schloss am ehesten an die antike Glückethik an.
-Die oberste Maxime für das menschliche Handeln ist der Nutzen. Gut ist, was nützt.

-Das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl
Eine Maxime von starker demokratischer und egalitärer Komponente. Bedeutet gleichsam einen Aufbruch der aristokratischen Privilegienmoral.
Moralischer Imperativ steckt darin: sowohl der einzelne als auch die Gemeinschaft sollen danach trachten, dass die Zahl der Glücklichen und die Qualität des Glücks zunehmen.
Moral aber zu einer Frage der Quantitäten werden zu lassen ist verführerisch und verfänglich.
Vor allem kann durch Quantifizierung die Frage nach der Qualität des Nutzens nicht gelöst werden.
-dennoch ist der Utilitarismus in den meisten modernen Gesellschaften die offiziös praktizierte Moral.

KANTS Moralphilosophie (Im Vergleich zur aristotelischen Tugenlehre. Persönl. Präferenz)
Von Moral oder Sittlichkeit zu sprechen mache überhaupt nur dann Sinn, wenn es um das Gute an sich geht.
Was aber ist das Gute? ->

„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außerhalb derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden als allein ein guter Wille“

Alle anderen Vermögen außer dem Willen können auch böse sein. Tugenden oder Glücksgaben allein sind kein zweckmäßiger Garant für das Gute; sind nicht an sich gut. Keine Eigenschaft des Menschen ist davor gefeit, vom ihm selbst in böser Absicht verwendet werden zu können.
-> feinsinnige Kritik an Aristotelischer Ethik
Der Wille erst ermöglicht das Gutsein. Nur er kann tatsächlich gut sein.
Der gute Wille ist dadurch gekennzeichnet, dass er das Gute um seine selbst willen will

Selbst wenn durch widrige Umstände nur der gute Wille übrigbliebe, bar jeder Realisationsform so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen vollen Wert in sich selbst hat.

Außer dem Vernünftigen sind alle anderen Möglichkeiten, an denen sich das Gute orientieren könnte partikular.
Somit kann nur das Vernünftige, weil es das Allgemeine, das Verallgemeinerungsfähige ist, zur Grundlage einer allgemeinen Moral gemacht werden.
->Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.
Kant forderte, gerade nicht Leidenschaft, Mitgefühl oder Mitleid zur Grundlage der Moral zu machen, da diese Kontingent sind –sondern vernünftig begründeten Gründsätze, die von jedem eingefordert werden können: Wohltun aus Pflicht.
-> fraglich, ob dies formale Bestimmung von Moral praktizierbar ist.

THOMAS HOBBES:
Moral wurzelt nicht im Willen zum Guten, sondern im schrankenlosen Egoismus.
Führt die Auseinandersetzung zwischen den Menschen auf ihre Gleichheit zurück: Wettstreben(Gewinn), Argwohn(Sicherheit) und Ruhmsucht(Ansehen).
Im Naturzustand: homo homini lupus.
Um aber zu einem Frieden zu gelangen unterwirft sich der Mensch freiwillig einem Gesellschaftsvertrag bzw. Staat.
Dass es Gesetze, funktionierende Moralsysteme gibt wertet Hobbes nicht als Indiz für Sittlichkeit des Menschen, sondern für schrankenlosen Egoismus und seine sittliche Insuffizienz.

Moral wird somit als negativer Abdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet:


FRIEDRICH NIETZSCHE
Hinter Tugenden, wie Demut, Barmherzigkeit oder Mitleid verberge sich Sklavenmoral, die von den Niedrigen entworfen sei, um die eigentlich Guten zu denunzieren.
Ursprüngliche Motiv: der Wille zur Macht.

Dem Philosophen kommt es zu, über diese Verhältnisse vorurteilslos nachzudenken.. Die Philosophie entwirft keine Lebensregeln, noch versucht sie Moralsysteme zu begründen, sondern sie steht, jenseits von Gut und Böse.   

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