Vom Nutzen und
Nachteil des Denkens für das Leben
Vorlesungen zur Einführung in die Philosophie
Prof. Konrad Liessmann,
Uni Wien SS1998
- Vorlesung:
Lachen
– 6.Jhd. v.Chr.
Die Geschichte der Philosophie beginnt mit der Erzählung
von ÄSOP
„Das Lachen der Thrakerin“. -eine paradigmatische Geschichte
-(vorerst war es) ein Astronom, der über die Schönheit
der Gestirne die alltägl. Tücken vergaß.
~150 Jahre später
PLATON gibt der Geschichte eine neue Gestalt,
transformiert sie ->Bezug auf Philosophie -> zweideutige
Inaugurationsgeschichte
Er ist der erste Denker, der am Beginn der schriftlich
fixierten europäischen Tradition der Philosophie steht; gilt daher als Ahnherr
derselben
-Nun ist es THALES, der in einen Brunnen fällt und von
der thrakischen Magd ausgelacht wird.
-Thales galt der Antike als erster wirklicher Philosoph.
Sein Stolpern symbolisiert jenes der Philosophie. Das Lachen der Thrakerin,
einer barbarischen Sklavin, steht für das des gemeinen Menschen.
->wer nach allzu ferner Erkenntnis trachtet, stolpert
über das Nächstliegende.
-grundlegender Widerspruch zw. Philosophischem Denken u.
praktischem Leben.
-Vorwurf: für das Leben nützt das Denken nichts
- Aristotelische Zusatzgeschichte
-Thales sah Ölernte voraus(astronomisches Wissen)
–mietete Ölpressen –machte Profit
-gilt als gelungene Verteidigung der Philosophie
-Spötter verkennen Weisheit, Möglichkeit der Philosophie,
die in der Selbstbeschränkung liegt.
- 17.Jhd
ABRAHAM A SANTA CLARA
-Thales fällt in Kotlacke –wird von altem Weiblein
ausgelacht.
->Spott des demütigen Christenmenschen über die Hybris
der heidnischen Philosophie.
-Widerspruch nun zw. Denken u. Glauben. Bedeutungsvoll für
Geschichte der Philosophie in Europa.
-SOPHISTEN, eine Gruppe von Menschen, die den effizienten
Umgang mit Wissen lehrten. Ziel ist der praktische Nutzen. (PROTAGORAS von
ABDERA; GORGIAS)
Abendländische Philosophie ist als Kritik an dieser
Nutzung des Wissens entstanden.
Kennzeichen d. Philosophie:
-Absage an eine rein am materiellen Nutzen orientierte
strategische Handhabe des Wissens
-kein vordergründiger Nutzen -> Wissen, dass sich um
seiner selbst Willen lohnt.
- THEODOR W. ADORNO bezeichnete die Philosophie als eine
Art Weltweisheit
diese wird aber nicht nur „geliebt“(philos) sondern sie
ist auch Ziel des Erlernens, Aneignens.
-diese Weisheit ist (zumindest) im antiken Verständnis
theoretisch.
-theoretisches Schauen ist absichtsloses Schauen,
Erkennen, Nachdenken
-bezieht sich nicht auf Dinge des profanen Alltags,
sondern auf Dinge, die diesen überschreiten, transzendieren.
-Eine Theorie will das erfassen, was hinter den Dingen
liegt –Bedeutung der Dinge erkennen, die an diesen selbst nicht direkt ablesbar
ist.
-> Aspekt der Absichtslosigkeit & Aspekt, alles in
einen übergeordneten Zusammenhang stellen zu wollen.
->es besteht ein Gegensatz zw. Theorie u. Praxis;
Denken u. Leben
->Spannungsverhältnis zw. Philosophie und Praxis
- ARISTOTELES erhebt das Nachdenken zur Lebensform
->vita contemplativa; hält diese für die höchste, angemessenste
schlechterdings. Im Leben für die Theorie erfüllt sich das, was Menschsein
heißt. Einzige Voraussetzung dafür ist Freiheit.
- Vorlesung:
Staunen
Alternierender Anfang der Philosophie ist das Staunen;
die Verwunderung
-Tradierter Topos von Platon:
Sokraktes sagt: „Dein Zustand, die Verwunderung ist
recht typisch für einen Philosophe“n
-ARISTOTELES: Denn Verwunderung war den Menschen jetzt
wie vormals der Anfang des Philosophierens, indem sie sich anfangs über das
nächstliegende Unerklärte verwunderten, dann allmählich fortschritten und auch
über Größeres Fragen aufwarfen.
-GÜNTHER ANDERS: Die
Chance des Philosophen besteht in seiner Unfähigkeit das Wort
selbstverständlich zu verstehen. Seine Tugend in der Fähigkeit, diese
Unfähigkeit allen Anfechtungen des Alltags zum Trotz durchzuhalten.
->Kultivierung und Verteidigung der Unfähigkeit
-THEODOR W. ADORNO:
-Philosophie ist der zum Bewusstsein erhobene
Widerstand gegen alle Klischees.
-An seinen Defekten sollt ihr ihn erkennen: nicht
durch das, was er versteht, unterscheidet sich der Philosophierende vom Nichtphilosophierenden,
sondern durch das, was er absolut nicht verstehen kann.
-Das Nichtselbstverständliche ist das Erstaunliche. Alles
kann bezweifelt werden. Dieses Nachfragen birgt aber auch Vorwürfe dagegen in
sich.
-Der Philosophie geht es um diese Fragen, nicht explizit
um die Antworten.
Antiakademische Philosophen: Anders, Marx, Kierkegaard,
Nietzsche
Ein wirklich lebendiges Leben ist kein durch
Wissenschaftsbetrieb reglementiertes.
Signum ist nicht nur das Staunen, sondern das
Nichtverstehen.
Charakteristischer Aspekt d. europäischen
Philosophietradition: das Dialogisieren.
Ein Kerngedanke: nicht der Austausch von Meinungen oder Positionen, sondern der von Argumenten
steht im Mittelpunkt. Die argumentativ nachvollziehbare Bestätigung durch den anderen
wird zur Überprüfung der eigenen Denkleistung angestrebt/herangezogen.
GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL
-Hauptwerk: Phänomenologie des Geistes (1806)
-abstraktes Denken
Wer denkt abstrakt? Der ungebildete Mensch, nicht der
gebildete.
Abstraktion -abstrahere- ist nach Hegel das Betrachten
einer Perspektive, nicht der anderen Facetten.
Die Sache wird auf einen Punkt reduziert; auf wenige starre Kategorien.
->Abstraktion ist immer ein Reduktionsprozess.
-konkretes Denken
ist vielfältiges, mehrdimensionales Denken. Ggs. zu
abstraktem.
Etw. auf seinen Begriff bringen = nicht
reduzieren, sondern in seiner Komplexität darstellen.
Die Wirklichkeit ist uns somit in der Abstraktion
selbstverständlich -> kein Staunen.
Philosophisches Denken ist Denken des Konkreten.
Alltägliche, reduzierende Sprache ist nicht geeignet um
philosophischer Komplexität gerecht zu werden ->Dilemma, Zwiespalt
[-eine eigenständige Sprache war Gegenstand einer
Koketterie]
KANT
-Schulbegriff der Philosophie: alles was diese im Rahmen
ihres Denkens und ihrer Geschichte geleistet hat, was schriftlich fixiert wurde
–sich schulmäßig aneignen lässt
-Weltbegriff der Philosophie: „Wissenschaft von den
letzten Zwecken der menschlichen Vernunft. Philosophie allein hat inneren Wert
und gibt allen anderen Erkenntnissen erst einen Wert.
->die Bedeutung vom Menschsein kann mit Vernunft
diskutiert werden ->Sinn und Zweck des Menschseins
->aus dem Weltbegriff abgeleitete Kernfragen:
-Was kann ich wissen?
->Quellen, Grenzen des Wissens
-Was soll ich tun? ->Motive,
Beweggründe des Handelns; Freiheit ist Voraussetzung zur Beantwortung der
Frage.
-Was darf ich hoffen? ->bezieht sich auch
auf Grenzen des Erkenntnisvermögens. Gibt es jenseits dessen Hoffenswertes?
(Unsterblichkeit der Seele, Gott, Gerechtigkeit)
-Was ist der Mensch? ->Ist
Kulmination und Bündelung der vorhergehenden Fragen?
Tempel zu Delphi: Gnôthi sautón – Erkenne dich selbst.
-> sich selbst zum Ausgangspunkt des Staunens machen ->philosophieren
Zsf: Beweggründe des Philosophierens: Bedenken des
Konkreten, Staunen, das Selbstverständliches nicht selbstverständlich werden
lassen.
- Vorlesung:
Erzählen
Begriff: Denken
Der Mensch hat die Fähigkeit, zu sich selbst in Distanz
zu treten, sich selbst zum Gegenstand zu machen, Subjekt und Objekt
gleichzeitig zu sein.
Im Moment des Erlebens, kann man sich selbst zum
Gegenstand der Reflexion machen ->die Handlungen werden zum Gegenstand des
Denkens.
Mit dem Eintritt des sich selbst Bedenkens war auch das
Selbstbewusstsein da.
Im Zusammenhang mit Bewusstsein stehende Phänomene:
Sprache, Intelligenz, Kultur
-das Moment des Denkens ist Voraussetzung für die
menschl. Existenz.
-als erste bewusste Wahrnehmung des Menschen wird die
Angst gesehen
HANS BLUMENBERG sprach in diesem Zusammenhang von einem Absolutismus
der Wirklichkeit –also einer vom Menschen unabhängig existierenden
Wirklichkeit, die überlegen und vorgeordnet war. Denken bedeutete
Ressourcenhaushalt zum überleben.
->um sich dieser Wirklichkeit gewahr zu werden, um sie
angehbar zu machen, schuf der Mensch Kunstgriffe z.b. Supposition, um
Unbenennbares durch Benennbares zu erklären, zu ersetzen.
Das Erzählen über solche Mythen wird zu einer der
ersten Formen des Umgangs mit der Wirklichkeit, zu einem Dokument des
Bewusstseins.
Zugrunde liegt diesem Verhalten das Kausalitätsprinzip
->das Erklärbarmachen mittels Ursachen
->ebenso nahmen diese Mythen dem Unbekannten seine
Bedrohlichkeit. Durch die Namensgebung wird Identität, Existenz beim Menschen
erreicht.
Der absoluten Wirklichkeit wurde ihr ungeordnetes Chaos
genommen.
Vom Mythos zum Logos
->soll suggerieren, dass Philosophie genau dort begann, wo logisches Denken
den Mythos abzulösen begann. Tatsächlich waren aber bereits logische Ansätze im
Mythos zu finden.
Mythisches Denken besteht im Erzählen und macht das
Unvertraute vertraut. (-> Anthropomorphismus) Blumenberg meinte, dass der
Mythos selbst eine hochkarätige Arbeit des Logos darstelle; mythische
Erklärungen sind stückweit logisch.
-Beides sind Welterschließungsformen, die das gleiche
bedeuten können: „Rede“
-wesentlich beim Mythos ist der narrative Kern
->6.Jhd. v.Chr. Logizität, Rationalität, Theorie,
Philosophie, Wissenschaft wurden entwickelt-> Logozentrismus
-OLOF GIGON: Personen-Analogien wurden durch Sach-Analogien
abgelöst (Mythos-Logos) -> Wirklichkeit wurde entpersonifiziert
THEODOR W. ADORNO; MAX KORKHEIMER „Der Animismus hatte
die Sache beseelt, der Industrialismus versachlicht die Seelen“
Geschichte von Protagoras: Menschen werden bei
Fähigkeitenverteilung vergessen. Prometheus stiehlt auf Epimetheus Bitte techn.
Intelligenz und Feuer für Menschen. Das reicht aber noch nicht und deshalb gibt
Zeus ihnen Scham(Rücksichtnahme) und Recht(Gerechtigkeit)
Das verdeutlicht, dass der Mensch von jeher ein schwer defizitäres
Wesen ist.
ARNOLD GEHLEN: Mensch ist Mängelwesen
-Mythen sind insofern Ausdruck der Vernunft als sie zur
Klärung, Kalmierung von Sachverhalten beitragen.
Vernunft als lebensweltliches Prinzip arbeitet im Mythos
selbst.
HERAKLIT: „Gemeinsam ist allen das Denken.“ / „Den
Menschen allen ist zuteil, sich selbst zu erkennen und verständig zu denken“ ->Der
Logos, die Vernunft, ist allen Menschen gemeinsam.
Logos war bei Heraklit „Feuer“, Vernünftigkeit, sowie das
einheitsstiftende Prinzip, dass unter all den Menschen diese Vernunft überhaupt
ermöglicht. ->Logos ist sowohl
subjektive Denkfähigkeit als auch die Übereinstimmung dieser mit einem
allgemeinen einheitlichen Prinzip.
Denken wird als Tätigkeit der Subjektivität erfahren:
„ich denke“
IMMANUEL KANT: Maximen denen souveränes Denken, wenn es
den Prinzipien der Vernunft folgen will, folgen muss:
-Selbst denken.
-Sich (in der Mitteilung mit Menschen) in die Stelle
jedes anderen zu denken.
-Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken
- Vorlesung:
Schauen
Kennzeichen der Welt der Mythen: Anthropomorphismen
PROTAGORAS: Der Mensch ist der Maßstab aller Dinge,
der Seienden, dass sie sind und der Nichtseienden, dass sie nicht sind.
Mensch wird hierbei weniger als Gattungswesen, sondern
als Individuum verstanden. ->jeder sieht und beurteilt die Welt auf seine
Weise.
Gemeint ist auch, dass der Mensch in seinem bewussten
Denken keine andere Möglichkeit hat, als sich in seiner Subjektivität zum
Ausgangspunkt dieses Denkens zu machen.
Beim Versuch das zu verstehen, was außerhalb des
Bewusstseins liegt, ist man letztlich immer wieder auf sich selbst
zurückgeworfen.
Versuche rationaler Weltdeutung:
Mit der Ablösung des mythischen vom rationalen Denken,
wird das Denken, das sich über sich selbst aufklärt erst anthropozentrisch.
Beginnt vlt. mit
XENOPHANES: Wenn Kühe,Pferde oder Löwen Hände hätten
und damit malen und Werke wie der Mensch schaffen könnten, dann würden die
Pferde pferde-, die Kühe kuhähnliche Götterbilder malen und solche Gestalten
schaffen, wie sie selber haben.
Auch bei LUDWIG FEURERBACH schlug sich der Gedanke nieder,
dass die Gottesvorstellungen nichts anderes sind als die Projektion der
menschlichen Sehnsüchte, Ängste und Wünsche in einen imaginären Raum.
Vorsokratische Philosophen = IONISCHE NATURPHILOSOPHEN
zählen zu den ersten, die versucht haben auf rein spekulativem Weg, Gründe für
das Dasein der Welt zu finden.
Urtext für die Frage nach dem Sein ist das Höhlengleichnis(evtl.
nachlesen! Vor allem über den Weg, den man bildlich bis zur Erkenntnis zu gehen
hat). (Aus Platons Dialog über den Staat)
Höhlengleichnis -
spielt auch auf die Biographie des Sokrates an.
- vllt. prägnanteste Darstellung von
Platons Ideenlehre
- Geschichte über das Schicksal
der Philosophen.
- skizziert den Weg des Denkens
selbst. Verdeutlicht, dass alles wahre Wissen nicht ohne Mühe erworben werden
kann
-> um der Wahrheit willen, muss die Sinnlichkeit
zurückgestellt werden. Die Ratio bekommt also den Vorzug. Die Bevorzugung der
Tätigkeit des Intellekts gegenüber den Sinnen, prägte die europ. Kultur und
Philosophie auf Jahrhunderte nachhaltig.
-Problembehaftet ist auch die Weiterleitung des Wissens
wenn dieses erfahren, geschaut und dann den Nichtwissenden zugänglich gemacht
werden soll.
GORGIAS Sager fußt in dieser Problematik:
Erstens: es gibt nichts; zweitens: wenn es auch etwas
gäbe, wäre es doch für den Menschen unerkennbar; drittens: wenn es auch
erkennbar wäre, wäre es doch unserem Mitmenschen nicht mitteilbar und
verständlich zu machen. Es gibt also nichts.
-Dieses Denken ist an die Metapher des Schauens gebunden.
Das philosophisch argumentierende Denken versucht, sich über die Widersprüche
seiner Erfahrung zur Wahrheit vorzutasten und hinter dem sinnlichen
Erscheinungsbild der Dinge ihre wahre Gestalt, die Ideen, zu schauen.
Platon wirft gleichsam die Frage auf, woher das Denken
die außerordentliche Fähigkeit haben soll, die Sinnesorgane und
Sinneserfahrungen zu korrigieren und die Wahrheit zu erkennen.
Als Erklärungsmodell dient die s.g. Anamnesislehre,
ein Konzept der Wiedererinnerung.
->die geistige Schau wird zur inneren Schau.
Die Wahrheit liegt immer schon in uns, das sokratische
Gespräch, der vernunftgeleitete Dialog, hilft nur, diese Wahrheit ans Licht zu
bringen.
->Mäeutik, Hebammenkunst des Sokrates.
->ein Gedanke, der in ähnlicher Form auch später zu
finden war (->Freud: Das Vorbewußte)
Das An-sich-Sein der Dinge ist in Wirklichkeit nie
erfahrbar. Jede Wirklichkeitserfahrung liefert nur Abbilder.
Wie verhält sich die Idee zur Wirklichkeit? Entweder ist
die Wirklichkeit ein Schatten, ein Abbild der Idee oder in ihr offenbaren sich
Anteile(Platon) der Idee.
Platons Ideenlehre: Diskrepanz zw. wahrnehmen und denken
können.
Die Sonne außerhalb der Höhle repräsentiert das Gute. Nur dort,
wo Sonne scheint, ist Erkenntnis möglich. -> Erkenntnis und Wahrheit sind
mit Fragen der Moral verbunden.
Heutige Gültigkeit? ->Kritik durch Nietzsche
- Vorlesung:
Urteilen
Erkenntnis heißt Wirklichkeit nicht mehr ausschließlich
sinnlich wahrzunehmen.
Differenz zu Wahrnehmung, Erfahrung, Kenntnisnahme. Also
nicht jene Kenntnisse, die wir uns durch unmittelbaren Lebensvollzug aneignen;
kein durch Erfahrung akkumuliertes Wissen.
Woher kommt die Hybris des Denkens, davon auszugehen
selber im Stande zu sein, die Wirklichkeit in wahrhafter Gestalt zu schauen?
->antikes Denken folgte einem ontologischen Paradigma. Ein Denken, das
erkennen will, was ist, nicht, was uns erscheint.
Gespaltene Wirklichkeit:
-PLATON: das Sein ist keine Wirklichkeit im sinnlichen
Sinn, sondern präsentiert sich als nur durch das Denken erfassbare Idee. ->
die Wahrheit liegt im Denken selbst.
-PARMENIDES von ELEA(Vorsokratischer Denker): „Denn
dasselbe ist Erkennen und sein“.
Erkennen und Sein sind dasselbe –> die Wahrheit der Wirklichkeit und
das Denken fallen zusammen. Nur was gedacht werden kann ist auch – das
Nicht-Seiende kann schlechterdings auch nicht gedacht werden.
Metaphysik: Bemühungen
sich des eigenen Denkens und seiner Prinzipien zu vergewissern (=Erste
Philosophie). Voraussetzungen festmachen, die überhaupt eine Erkenntnisleistung
ermöglichen.
Aristotelische Teilung der Wissenschaften in:
-theoretische Wissenschaften: untersuchen, das, was nicht
anders sein kann. handeln von Notwendigkeiten. (Physik, Mathematik,
Metaphysik)
-praktische Wissenschaften: behandeln, das, was anders
sein kann. handeln von Möglichkeiten des Handelns. (Ethik, Politik)
Aristoteles im Organon: Jedes ohne Verbindung
gesprochene Wort bezeichnet entweder eine Substanz oder eine Quantität oder
eine Qualität oder eine Relation oder ein Wo oder ein Wann oder eine Lage oder
ein Haben oder ein Wirken oder ein Leiden.
->Kategorien, die eine bestimmte Dimension eines
Gegenstandes definieren.
Wurden später von Kant modifiziert.
Substanz meint kein von der Erscheinung
der Dinge abgelöstes Sein, sondern das wesensmäßig zu einem Ding gehörende.
Das Akzidentelle ist das Äußere, das am Wesen des
Dings, an der Substanz nichts mehr verändert.
Denken beginnt mit der Fähigkeit einfach Aussagen,
Urteile über die Wirklichkeit zu machen. Aristoteles bezog sich auch auf
mögliche Verknüpfungen verschiedener, die Wirklichkeit betreffender, Aussagen
miteinander.
->zum ersten Mal wurde die Fähigkeit des logischen
Denkens, des Schlussfolgerns, konsequent reflektiert.
In der Fähigkeit, aus einmal gefundenen Aussagen andere
Aussagen stringent abzuleiten, waltet eine regelhafte Notwendigkeit.
Das Denken hat eine von Inhalten unabhängige Form, die
sich systematisieren – schematisieren lässt.
->in kategorische Urteile: bestehend aus Subjekt(S),
einer verbindenden Kopula(ist, ist nicht, sind, sind nicht) und einem
Prädikat(P)
Formen des Urteils:
-
A(allg. bejahende Urteilsform): „Alle S sind P“
-
E(allg. verneinende Urteilsform): „Kein S ist P“
-
I(partiell verneinende Urteilsform): „Einige S sind P“
-
O(partiell verneinende Urteilsform): „Einige S Sind P“
Im Mittelpunkt der Aristotelischen Logik steht Syllogistik
(Lehre vom richtigen Schließen). Darin wird die logische Gültigkeit, nicht die
Wahrheit von logischen Argumenten untersucht.
Alle Menschen sind sterblich
Sokrates ist ein Mensch
-----------------------------------------
Sokrates ist sterblich
Wenn die Prämissen die Konklusion ergeben, handelt es
sich um ein gültiges Argument. Die Gültigkeit des Arguments hängt allein von
seiner logischen Form ab. Die Haltbarkeit davon, ob die Prämissen wahr sind.
Satz des zu vermeidenden Widerspruchs: Dasselbe kann demselben und in
derselben Beziehung unmöglich zugleich zukommen und nicht zukommen. Es ist
nämlich unmöglich, dass jemand annehme dasselbe sei und sei nicht.
Einzige zugrunde liegende Denkoperation: Negation
-der Satz grundlegt die Logik.
-Problem der Selbigkeit.
Satz der Identität: A
ist (=) A (s. d.), d.h. jeder Begriff soll im Denkverlaufe als der gleiche und
in gleichem Sinne gesetzt und behandelt werden.
-Der Satz ist die Grundnorm unseres Denkens,
zugleich ein Ausdruck der Identität
unseres Ich, welches, um seine Einheit zu behaupten, sich in seinem Wollen und
Denken gleichbleiben und, wenn es Wahrheit haben will, die Konstanz der
Begriffe bewahren muß. Unter allen Umständen und in allen Verwicklungen und
Umhüllungen muß der Begriff als eben der gleiche Begriff fixiert werden können.
6. Vorlesung: Zweifeln
DESCARTES: Meditationen über die
erste Philosophie
-Stellte sich die Frage nach der tatsächlichen Gewissheit
der Wahrnehmung
wollte einmal von Grund auf alles umstürzen und von
den ersten Grundlagen an ganz neu anfangen.
-diese fundamentale erkenntnistheoretische Skepsis wird
begründet durch ein altbekanntes Klugheitspostulat: wer einmal lügt, dem traue
nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht.
Methodischer Zweifel: alles wird
angezweifelt, was angezweifelt werden kann:
Gott als genius malignus ?
Grunderfahrung die Skepsis wachsen lässt ist der Traum.
Wenn jegliche Form von Bewusstseinsinhalten ausgeschaltet
wird, bleibt nur das Ich, das darüber zweifelt, was es eigtl für ein Ich ist
->„Ich bin, Ich existiere“ (cogito ergo sum);
ist die einzige Gewissheit, die sich aus dem methodischen Zweifel ergibt.
(=kein existenzieller Zweifel)
Das Cartesianische Cogito bezieht sich nicht
ausschließlich auf die mögliche Bewußtseinsfähigkeit, sondern vielmehr darauf
was unbezweifelbar gewiss ist.
D. gilt als Begründer des Rationalismus.
Das denkende Ding(res cogitans): besteht aus Denken,
Wille, Imaginationskraft, Empfindung
->das Denken kann sich demnach seiner selbst
vergewissern
Regeln für den richtigen Vernunftgebrauch:
-
Niemals eine Sache wahrnehmen, die ich nicht als
solche sicher und einleuchtend erkennen würde ->Vorurteile abbauen
-
Jede der Schwierigkeiten, die ich untersuchen
würde, in so viele Teile zu zerlegen als möglich und zur besseren Lösung
wünschenswert wäre.
-
Gedanken ordnen: beginnen mit den einfachsten und
fasslichsten Objekten und aufzusteigen allmählich und gleichsam stufenweise bis
zur Erkenntnis der kompliziertesten, und selbst solche Dinge irgendwie für
geordnet zu halten, von denen natürlicherweise nicht die einen den anderen
vorausgehen.
-
Überall so vollständige Aufzählungen und so
umfassende Übersichten zu machen, dass ich sicher wäre, nichts auszulassen.
- Vorlesung: Spüren
Frage nach der Gewissheit des Wissens. Eine
Notwendigkeit?
Rationalismus: -Verstandesorientiertes
Handeln
-Form der ökonomischen Effizienz
-Erkenntnis aus der Vernunft
Die Frage nach der Wahrheit der Wirklichkeit konnte nicht
mit der alleinigen Beschränkung auf die Vernunft beantwortet werden.
Gegenthese: wirkliche, wenn auch nicht absolut sichere
Erkenntnis ist nur durch Erfahrung zu gewinnen
->Mensch ist nicht nur res cogitans, sondern auch res
extensa(=alles materielle; die spürbare Wirklichkeit)
Empirismus: jene Philosophie, die nicht
die Ratio, sondern die Erfahrung, die sinnliche Wahrnehmung, die Empirie zur
Grundlage des Erkenntnisvermögens macht.
-Ist die Affektion durch die Außenwelt ausreichend zu
einer Durchdringung der Wirklichkeit?
Rationalistische Philosophen waren eher auf dem Kontinent
beheimatet. Empiristische hingegen waren eher in England, Amerika sesshaft, was
mit einer früheren Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft dort zu tun hatte.
-bedeutende angelsächsische Empiristen:
Locke und Hume: alle Erfahrung ist uns nur über das
System Bewusstsein zugänglich.
Dieses ist gleichzeitig Barriere vom unmittelbaren Zugang
zur Außenwelt.
-JOHN LOCKE (Essay Concerning Human Understanding):
wendet sich gegen jede Form des Innatismus ->es gibt keine angeborenen
Ideen. Der Verstand funktioniert wie ein tabula rasa. Die Erfahrungen der
Wirklichkeit sind es, die diesen beschreiben und so die Erkenntnis ermöglichen.
Es gibt also kein angeborenes (platonisch:vorgängies)
Wissen, dessen man sich nur erinnern kann.
-Eine einzelne Sinneswahrnehmung kann weder einen
Erfahrungs- noch einen Erkenntnischarakter beanspruchen. Erst komplexe
Wahrnehmungen –als Kombination mehrerer Sinneseindrücke- ergeben ein sinniges
Bild von der Welt.
-äußere
Sinneswahrnehmung(sensation): basale Sinneseindrücke: Farben , Gerüche, Laute,
Düfte
-primäre Qualitäten: dem Gegenstand
objektiv zukommendes
-sekundäre Qualitäten: dem Subjekt
zugehöriges; rein subjektiv
-innere
Selbstwahrnehmung(reflection): Bewusstseinsinhalte, die man als Momente des
Bewusstseins wahrnimmt(Akte des Denkens, Wollens, Glaubens)
In sich zusammenfällt diese Unterscheidung durch
folgendes: Locke meint, dass sich alles was wir wahrnehmen oder empfinden
letztlich nur in unserem Bewusstsein
finden lässt. -> das Bewusstsein hat
kein anderes unmittelbares Objekt, als seine eigenen Ideen. (engl. idea ist
ungleich mit der platonische Idee) -> was für uns nicht bewusst ist, ist
nicht.
[GEORGE BERKELEY: Esse est percipi aut percipere]
->es muss darauf verzichtet werden, an den Dingen die
Wahrheit zu entdecken zu glauben. Kritisches Nachdenken kann sich ausschließlich auf die Vorstellungen –ideas- unseres
Bewusstseins beziehen.
Das Bewusstsein äußert sich in Sätzen ->Erfahrungen
müssen als Satz formuliert werden; sind Bewusstseinsinhalt
->die Wahrheit lässt sich im Grunde nicht auf
Wirklichkeit oder Erfahrung beziehen, sondern nur auf Sätze.
Die Welt außerhalb des Bewusstseins ist so gesehen
unzugänglich.
ARISTOTELES & THOMAS von AQUIN: Wahrheit sei
schlechterdings die Übereinstimmung des Verstandes und seiner sprachlichen
Artikulationsmöglichkeiten mit einer behaupteten Sache: Veritas est
adaequatio rei et intellectus.
-DAVID HUME
2 grundsätzliche Erfahrungsmöglichkeiten:
-Eindrücke
von außen: impressions
-innere Vorstellungen: ideas
-Erkenntnis ist immer das Erkennen von Kausalitäten.
-> Relation der Sinneserfahrungen ist Ursache & Wirkung; die Dinge
stehen zueinander in einer Kausalitätsbeziehung
Wirkung wird beobachtet und auf Ursache zurückgeführt
-> das sind aber nur Assoziationen von Vorstellungen in unserem
Bewusstsein,; keine Entsprechung in der Wirklichkeit.
Somit liegt eine induktive Erkenntnis vor, die auf der
Gewohnheit basiert. Alle Schlüsse aufgrund der Erfahrung sind deshalb Wirkungen
der Gewohnheit und nicht der Erfahrung.
Naturwissenschaftliches Wissen ist ein
Wahrscheinlichkeitswissen
Alle Erkenntnis die versucht sich rein auf Erfahrung zu
stützen ist somit plausibel –nicht aber notwendig.
- Vorlesung: Begrenzen
IMMANUEL KANT: Fragestellung: Was kann ich
grundsätzlich wissen? Wo liegen die Grenzen des Wissens?
Er untersuchte die Möglichkeiten und Grenzen von
Erkenntnis.
2 Arten von Erkenntnis:
-a
posteriorische = empirische
a
priorische = vor aller Erfahrung
Kritik bedeutet bei Kant „Kunst der
Beurteilung“. Er untersucht die Bedingungen der Möglichkeit von
Erkenntnis(reine Vernunft), von Moral(praktische Vernunft) und von ästhetischer
Wertung(Urteilskraft) festzulegen.
Ziel Kants war es die Möglichkeiten des Erkenntnis- und
Beurteilungsvermögens auszuloten
Transzendental meint bei Kant, die der
Vernunft –oder einem anderen menschl. Vermögen- zugrundeliegende Bedingung
Kant ging es nicht darum die Vernunft absolut zu setzten
gegenüber der Sinnlichkeit.
Der Anspruch der Kantischen Vernunft ist
universalistisch, nicht absolut. Er meint, dass die Vernunft das entscheidende
Vermögen ist, das alle Menschen miteinander teilen. Auch die Vernunft
vernunftbegabter anderer Wesen müsste nach denselben Prinzipien funktionieren
und auf denselben Voraussetzungen beruhen.
Er rief einen Paradigmenwechsel in der Erkenntnistheorie
hervor: nicht mehr die zu erkennende Welt stand im Mittelpunkt, sondern das zu
erkennende Subjekt.
-> „Kants kopernikanische Wende“: nicht mehr die
Objektive, Natur, Wirklichkeit sind dasjenige, an das man sich angleichen muss,
sondern man lässt die Wirklichkeit um seinen Verstand kreisen.
Wenn nämlich der Verstand die Voraussetzung aller
Erfahrung ist, müssen seine Regel auch vor aller Erfahrung gültig sein. Hat man
diese Regeln erkannt, lässt sich daraus auch ableiten, welche Erfahrungen
überhaupt gemacht werden können.
->die Wirklichkeit so zu erkennen –wie man das 2500
Jahre versucht hatte- wie sie an sich, unabhängig vom erkennenden Subjekt, ist,
wird nun unmöglich.
Nicht die Beschaffenheit der Wirklichkeit ist es, von der
die Erkenntnis abhängt, sondern die Möglichkeiten, die in uns angelegt sind.
Das An-sich-Sein der Dinge, das Ding an sich, kann prinzipiell nicht erkannt werden. Man
kann nur erkennen, wie die Dinge erscheinen.
Im Wissen aber, das menschl. Wissen Grenzen hat, steht
auch fest, dass es hinter diesen etwas gibt, dass nicht erschlossen werden
kann. -> komplexe Darstellung Sokratischen Nichtwissens. Das stellt auch
eine Kränkung von der „Kritik der reinen Vernunft dar“, weil fortan die „großen
Fragen“ (nach Kant) unerschließbar sein sollten.
Wichtig war kann die Differenzierung von Schein und
Erscheinung.
Was uns umgibt, also die Sinnliche Erfahrung, ist nicht Schein im Sinne von Täuschung
–Abgrenzung von Platonischer Tradition- sondern ist tatsächlich die Erscheinung
der Dinge, Spuren, die die Dinge in unserem Wahrnehmungs- und
Vorstellungsvermögen hinterlassen. Auf der Suche nach diesen Spuren bleibt
nichts anderes übrig, als Indizienprozesse gegen die Wirklichkeit zu
führen.
Die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis ist, dass
die Wirklichkeit und ich selber sinnfällig werden können, also meine Sinne in
Erscheinung treten können.
-Als Voraussetzung der Bedingung der Möglichkeit
sinnlicher Erfahrung sieht Kant Raum und Zeit.
->diese haften an der subjektiven Beschaffenheit
unseres Gemüts, sind a priori als Anschauungsformen a priori zur Ausstattung
des Subjekts gehörig und ermöglichen es Erfahrung zu machen; sind immer schon
da; kein Resultat von vernünftiger Deduktion
Kant stellte einen Katalog –ähnlich wie Aristoteles-
zusammen, der zwölf a priori Kategorien beinhalten, die Erfahrung ermöglichen.
Quantität(Einheit,
Vielheit, Allheit)
Qualität(Realität,
Negation, Limitation)
Relation(Inhärenz-Subsistenz,
Ursache-Wirkung, Wechselwirkung zw. dem Handelnden und Leidenden)
Modalität(Möglichkeit-Unmöglichkeit,
Dasein-Nichtdasein, Notwendigkeit-Zufälligkeit)
Die alleinige Erfahrungsmöglichkeit führt noch zu keiner
Erkenntnis. Wsentliche Voraussetzung ist nach Kant die Spontaneität des
Verstandes. Ein Regulativ der Sinneswahrnehmung. Der Verstand als dienstbarer
Geist ordnet, schematisiert die unendliche Mannigfaltigkeit der Sinneseindrücke
mit Hilfe der Kategorien und Anschauungsformen.
So ist das Bild der Welt weder, wie es sich uns bzw.
unseren Sinnen präsentiert sondern so wie es von der spontane Tätigkeit des
Verstandes, die eine synthetisierende ist, geformt wird.
Das geschieht durch Apprehension, Reproduktion und
Rekognition durch das ICH.
Ein >Ich denke< begleitet also alle unsere
Vorstellungen.
2 Arten von Urteilen:
-das synthetische Urteil: ist
ein empirisches Urteil, das nie in einem logischen Sinn notwendig wahr ist, das
zu einer Erkenntnis etwas hinzufügt.
-das analytische Urteil: ist
ein deduzierbares, ein notwendig wahres.
Zentrale Frage im Zentrum der Kritik der reinen Vernunft:
Gibt es eine synthetische Erkenntnis a priori?
- Vorlesung: Gut leben
Weitere Deutungsmöglichkeit der Thalesgeschichte: er hat
sein Interesse falsch angesetzt. Nicht welt-abgehoben soll der Philosoph sein,
sondern auf das Naheliegende achten –
Betont hat vor allem EPIKTET diese Wende von der
ontologischen Theorie zur Thematisierung der alltäglichen Praxis: woraus das
Seiende besteht. Wie der gestirnte Himmel gebaut ist, was am Anfand der Welt
war und an ihrem Ende sein wird, sind luxuriöse Gedanken. In der Selbstbeschränkung,
die darin besteht, diese Fragen auszulassen und sich jenen praxisbezogenen zu
widmen, sieht er eine viel größere Herausforderung als beim Nachdenken über das
Wesen des Seins.
Es geht ihm sowohl um die Frage nach den Grenzen der
Erkenntnis, als auch um den tatsächlichen Nutzen dieses Wissens.
Es macht keinen Sinn das , was die Natur geschaffen hat,
begreifen zu wollen, denn die Natur ist wie sie ist.
Wer sich selbst erkennen will, muss das Selbst in der
Gesellschaft suchen. Für den antiken Menschen war das richtige Leben ein Leben
in der Gemeinschaft. (polis) Fragen nach der Richtigkeit des Handelns können
nur von sozialen Wesen gestellt werden.
Paradigmatische Neuorientierung: nicht: was kann ich von
der Welt wissen – sondern was kann ich von mir wissen?
GIOVANNI BATISTA VICO hat ähnliche Überlegungen
angestellt: der Mensch könne nur das wirklich verstehen, was er selber
geschaffen habe.
Natur und Kosmos würden deshalb mehr Faszinationskraft
ausüben, weil wir uns selbst zu nahe sind.
Die Kantische Frage: „Was soll ich tun“ ist einerseits an
unser Gemeinschaftswesen gekoppelt, andererseits aber eine Frage nach unseren
ganz spezifischen Vorstellungen nach einem geglückten Leben.
ARISTOTELES war der erste, der die Frage
nach dem Glück als zentralen Begriff der Ethik verwendete ->Ahnherr der eudämonischen
Ethik (Denksysteme, die das Glück des Menschen als moralische
Hauptkriterium auffassen)
Vorläufige Definitionen:
Moral: Summe und Anleitungen von Regeln, Normen, Werten
und Übereinkünften, die uns helfen sollen, ein richtiges Leben zu führen.
Stärker als Konventionen aber schwächer als Gesetze.
Kann sich durch Rückbeziehung auf religiöse Instanzen,
Traditionen oder einen Verweis auf den common sense rechtfertigen
Ethik: (gemäß dem antiken Denken): methodisches
Nachdenken ^darüber. Beschäftig sich aber auch damit ob Lebensfragen mit
vernünftigem Nachdenken geklärt werden können.
ARISTOTELES: Das höchste Gut ist dasjenige, das man um
seiner selbst willen anstrebt: Glückseligkeit, Glück. Heißt: es muß Selbstzweck
sein, eine autonome Zwecksetzung haben. Ein Gut, dass >für sich alleine
genügend< ist.
Ist aber tatsächlich nur eine Hilfskonstruktion, die von
dem Phantasma ausgeht, das Leben einem höchsten Ziel unterzuordnen zu können.
Weil der Mensch Zôon polotikón -ein von der Natur zur
staatlichen Gemeinschaft bestimmtes Tier- ist, bezieht sich das „für sich
alleine genügend“ nicht auf ein
autonomes Ich, sondern auf das Leben in der Gemeinschaft.
->sowohl die Frage nach dem Lebenssinn, als auch die
nach dem obersten Zweck ist somit an den gesellschaftlichen Kontext gebunden.
Es gilt aber Obacht darauf zu legen, dass dieser Gemeinschaftsbegriff sich mehr
auf die unmittelbare Umgebung bezieht und nicht auf die Menschheit schlechthin.
Andernfalls wird man ins Endlose kommen.
Sinnvoll ist von besagtem Glücksbegriff zu
sprechen nur dann, wenn sich ebenjenes nicht nur auf einzelne Höhepunkte
beschränkt, sonder sich auf ein volles Menschenleben ausdehnen lässt.
Glücklich ist dasjenige Lebewesen zu nennen, das sich
seinem Wesen gemäß am besten entfalten kann. Das oberste dem Menschen
erreichbare Gut stellt sich dar als ein Tätigsein der Seele im Sinne der ihr
wesenhaften Tüchtigkeit. Um also wesengemäß glücklich zu sein, Bedarf es der
Vernunftbetätigung, der Optimierung der Vernunftbegabung
d.h. durch die Vernunft die Möglichkeiten des Lebens in
ein ausgewogenes Maß zu einander zu bringen -> Maßhalten
Tüchtigkeit: durch Vernunft und auf
Vernunft hin angelegte Entfaltung menschlicher Möglichkeiten, die eine
seelische Vortrefflichkeit und einen letzten Endes tugendhaften Menschen
ergeben soll.
Tugend: Herausarbeitung spezifischer
Fähigkeiten, Tugenden, die ein vernunftmäßiges und damit glückliches Leben
fundieren.
Zum Glück gehören zwei Dimensionen: eine gewisse
Souveränität der Seele, Charakterfestigkeit, vernünftiger Umgang mit sich und
anderen
Und materielle Sicherheit.
- Vorlesung: Tüchtig sein
Das Glück liegt also zu einem guten Teil in der
Tugend. (zentraler Gedanke der Aristotelischen Ethik).
Diese Tugendhaftigkeit gründet in der Vernünftigkeit, die erlaubt mit
Trieben, Begierden, Affekten und Ängsten rational hauszuhalten.
ARISTOTELES unterteilt seine Tugenden in zwei Hauptgruppen
-
dianoetische Tugenden = Tugenden des Verstandes
phrónesis(Lebensklugheit)
und téchne(techn. Intelligenz)
-
ethische Tugenden: sollen den Menschen in die Lage versetzen zwischen
zwei Extremen den mittleren Weg frei zu wählen.
Bei der Erstellung des Tugendenkataloges griff er auf Platon zurück.
Jedoch wollte er diese nicht als platonische Ideen formulieren, da er den
Menschen als unvollkommenes Wesen
befand.
Gesucht werden muss also die Verstandeskraft um ein rechtes Maß
erkennen zu können und die Affekte in den Griff zu bekommen.
-
Gelassenheit: zw. Jähzorn und Phlegma
-
Tapferkeit: zw. Tollkühnheit und Feigheit
-
Scham: zw. Hemmungslosigkeit und Schüchternheit
-
Besonnenheit: zw. Zuchtlosigkeit und Stumpfsinn
-
Ehrliche Empörung: zw. Neid/Missgunst und ungerechtfertigter
Anerkennung
-
Gerechtigkeit: zw. Gewinn und Verlust
-
Großzügigkeit: zw. Verschwendung und Geiz
-
Aufrichtigkeit: zw. Aufschneiderei und Selbstverkleinerung
-
Freundschaftlichkeit: zw. Schmeichelei und Widerwärtigkeit
-
Würde: zw. Unterwürfigkeit und Selbstgefälligkeit
-
Standfestigkeit: zw. Weichlichkeit und Härte
-
Hochsinn: zw. Aufgeblasenheit und Engstirnigkeit
-
Großartigkeit: zw. Angeberei und Engherzigkeit
-
Einsicht: zw. Gerissenheit und Einfältigkeit
Die Vernunft sollte aber nicht nur Instrument sondern auch als
Ziel sein. Ihre Betätigung als das
spezifische menschliche Vermögen sollte der Weg zum Glück sein.
Nikomanische Ethik
Man kann genau dann glücklich sein, wenn man sich in seiner
Lebensführung der Vernunft überlässt. Das bedeutet: das denkende Betrachtendes
Daseins, nicht das Handeln, das reflektierte und reflektierende Schauen, nicht
die verschiedenen Formen der Aktivität sind anzustreben.
- definiert das Glück als das Leben der aktiven geistigen Schau
3 Formen der Tätigkeit:
-Arbeit: niedere Sklaventätigkeit
-Herstellen:
-Praxis: die eigtl Betätigung des wirklich freien Menschen
Die
Freiheit wird dort am größten sein, wo die Vernunft keine Rücksicht nehmen muss
auf Gestaltungsgegebenheiten. (Mensch, Natur, Material)
Dort wo es darum geht Dinge in ihrer Gesetzmäßigkeit zu betrachten,
dort ist die Freiheit am größten. Deshalb ist die reine Vernunfttätigkeit eine
kontemplative (-> vita contemplativa)[aktives Schauen], eine
beschauliche Tätigkeit im Gegensatz zum Arbeiten, Herstellen und Handeln(->
vita activa). (Verwendung bei Hanna Arendt)
- Vorlesung: Schön sterben
Das Denken weist nicht nur den Weg zum Glück, sondern
in ihm selbst ist ein Stück weit dieses Glück schon realisiert.
Schon in der Antike wurde (nicht nur deshalb) die Philosophie als
Lebensklugheit aufgefasst.
Konzeptionen daraus:
-Epikureismus: sieht in der Schmerzfreiheit ein wesentliches ethisches
Kriterium, nicht in der Lustorientierung. ->kein exzessives Ausleben der
Lüste, sondern ein maßvoller, gedrosselter Lustgebrauch.
Jede Form der Furcht vor Schmerzen solle damit überwunden werden
können.
-Hedonismus: höchstes ethisches Prinzip ist Streben nach Sinneslust und
Genuss
konträr zum Epikureismus
-Schule der Stoa: geht zurück auf ZENON von KITON
Ziel ist, das Denken so zu schulen, dass unsere Leidenschaften und
Begierden nicht über uns dominieren.
Vorherrschend in der römischen Spätantike als Lebensform; Elemente
flossen ins frühe Christentum ein; Marc Aurel und Epiktet waren Vertreter der Stoa.
Epiktet: „Das eine steht in unserer Macht, das andere nicht.“
->fundamentaler Satz für jede Moralphilosophie
Epiktet geht nicht von der Freiheit, sondern von der Mächtigkeit des
Handelns aus. Das Vermögen, das etwas in meiner Macht steht, wird so überhaupt
erst zur Voraussetzung für die Möglichkeit von wirklicher Freiheit.
In unserer Macht steht(Epiktet): Annehmen und Auffassen; Handeln,
Wollen, Begehren und Ablehnen.
-Alles was man selbst in
Gang setzen und verantworten kann(Gedanken, Vorstellungen, Triebe).
-nicht in der Macht stehen Körper und Besitz, gesellschaftliches
Ansehen und Stellung
-nur die innere Freiheit, Gelassenheit, Ruhe ist wirklich souverän
verfügbar ->stoische Ruhe.
Beschränken soll man sich nur auf Dinge, die in der eigenen
Verfügungsgewalt stehen –nicht auf jene die in der anderer stehen und deswegen
verloren gehen könnten. Sobald man darin fehlt, wird man unglücklich werden.
->selbst der Tod braucht so nicht gefürchtet zu werden.
-Seneca: wenn die Tugend als Voraussetzung der Glückseligkeit in der Vernunft(=aristotelischer Ansatz) liegt
und man dort glücklich ist, wo man frei ist, bedeutet das, dass das Glück vom
Moment der Freiheit abhängig ist.
Stoisch betrachtet heißt glückliches Leben nicht nur
vernünftigen Lustgebrauch anzustreben, sondern auch seine innere Vernünftigkeit
von keinerlei äußeren Einflüssen mehr stören zu lassen (die außerhalb unserer
Macht stehen)
Das höchste Gut ist die Freiheit, mit der man sogar dem
eigenen Tod gegenüberstehen kann.
-Die eigentliche Kunst des Lebens –ars vivendi- ist
gleichbedeutend mit der Kunst des Sterbens (ars moriendi) [Sterben lernen]
->das führt Seneca sogar zu einer philosophisch
fundierten Apologie des Selbstmordes
-Antike Ethiken sind nicht zwangsläufig als egoistisch zu
bezeichnen, da allzeit bewusst war, dass das Leben den Menschen an die
Gemeinschaft gebunden war.
- Vorlesung: Richtig Handeln
Nach jahrhunderte dauernder Dominanz der christlichen
Ethiken, stellte sich für die Moderne die Frage nach der Moral neu.
->Moral wurde begründungsbedürftig; Vernunft
vordergründig
auf der Suche nach einer allgemeingültigen Moral konnte
die Orientierung am individuellen Glück
kein Maßstab mehr sein. Diese Vorstellungen waren subjektzentriert und
ermangelten der Verallgemeinerungsfähigkeit
Der Utilitarismus schloss am ehesten an die antike
Glückethik an.
-Die oberste Maxime für das menschliche Handeln ist der
Nutzen. Gut ist, was nützt.
-Das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl
Eine Maxime von starker demokratischer und egalitärer
Komponente. Bedeutet gleichsam einen Aufbruch der aristokratischen
Privilegienmoral.
Moralischer Imperativ steckt darin: sowohl der einzelne
als auch die Gemeinschaft sollen danach trachten, dass die Zahl der Glücklichen
und die Qualität des Glücks zunehmen.
Moral aber zu einer Frage der Quantitäten werden zu lassen
ist verführerisch und verfänglich.
Vor allem kann durch Quantifizierung die Frage nach der
Qualität des Nutzens nicht gelöst werden.
-dennoch ist der Utilitarismus in den meisten modernen
Gesellschaften die offiziös praktizierte Moral.
KANTS Moralphilosophie (Im Vergleich zur aristotelischen Tugenlehre.
Persönl. Präferenz)
Von Moral oder Sittlichkeit zu sprechen mache überhaupt
nur dann Sinn, wenn es um das Gute an sich geht.
Was aber ist das Gute? ->
„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch
außerhalb derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte
gehalten werden als allein ein guter Wille“
Alle anderen Vermögen außer dem Willen können auch böse
sein. Tugenden oder Glücksgaben allein sind kein zweckmäßiger Garant für das
Gute; sind nicht an sich gut. Keine Eigenschaft des Menschen ist davor gefeit,
vom ihm selbst in böser Absicht verwendet werden zu können.
-> feinsinnige Kritik an Aristotelischer Ethik
Der Wille erst ermöglicht das Gutsein. Nur er kann
tatsächlich gut sein.
Der gute Wille ist dadurch gekennzeichnet, dass er das
Gute um seine selbst willen will
Selbst wenn durch widrige Umstände nur der gute Wille
übrigbliebe, bar jeder Realisationsform so würde er wie ein Juwel doch für
sich selbst glänzen, als etwas, das seinen vollen Wert in sich selbst hat.
Außer dem Vernünftigen sind alle anderen Möglichkeiten, an
denen sich das Gute orientieren könnte partikular.
Somit kann nur das Vernünftige, weil es das Allgemeine,
das Verallgemeinerungsfähige ist, zur Grundlage einer allgemeinen Moral gemacht
werden.
->Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du
zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.
Kant forderte, gerade nicht Leidenschaft, Mitgefühl oder
Mitleid zur Grundlage der Moral zu machen, da diese Kontingent sind –sondern
vernünftig begründeten Gründsätze, die von jedem eingefordert werden können:
Wohltun aus Pflicht.
-> fraglich, ob dies formale Bestimmung von Moral
praktizierbar ist.
THOMAS HOBBES:
Moral wurzelt nicht im Willen zum Guten, sondern im
schrankenlosen Egoismus.
Führt die Auseinandersetzung zwischen den Menschen auf
ihre Gleichheit zurück: Wettstreben(Gewinn), Argwohn(Sicherheit) und
Ruhmsucht(Ansehen).
Im Naturzustand: homo homini lupus.
Um aber zu einem Frieden zu gelangen unterwirft sich der Mensch
freiwillig einem Gesellschaftsvertrag bzw. Staat.
Dass es Gesetze, funktionierende Moralsysteme gibt wertet
Hobbes nicht als Indiz für Sittlichkeit des Menschen, sondern für
schrankenlosen Egoismus und seine sittliche Insuffizienz.
Moral wird somit als negativer Abdruck der
gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet:
FRIEDRICH NIETZSCHE
Hinter Tugenden, wie Demut, Barmherzigkeit oder Mitleid
verberge sich Sklavenmoral, die von den Niedrigen entworfen sei, um die
eigentlich Guten zu denunzieren.
Ursprüngliche Motiv: der Wille zur Macht.
Dem Philosophen kommt es zu, über diese Verhältnisse
vorurteilslos nachzudenken.. Die Philosophie entwirft keine Lebensregeln, noch
versucht sie Moralsysteme zu begründen, sondern sie steht, jenseits von Gut
und Böse.
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